Die Sebastian-Sekte fordert unter dem Motto "Pimp up your Tracht" dazu auf, für den sogenannten Neustifter Kirtag in Wien das obligate Trachteng'wand mit türkisen Streifen zu verzieren. Das wiederum regt zum Nachdenken an, warum sich Großstädter so begeistert in eine ländliche (Pseudo-)Tracht werfen. Denn beim Neustifter Kirtag herrscht tatsächlich eine höhere Dirndl- und Lederhosendichte als bei einem Gabalier-Konzert.

Tracht am Neustifter Kirtag 2019.
Foto: Christian Fischer

Gut, Neustift (am Walde) ist ein ländlicher Vorort von Wien (gewesen), wo heute noch die Weinberge bis ins verbaute Gebiet reichen (was eines der unschätzbaren Charakteristika der Großstadt Wien ist). Und wo jene Heurigenschenken, die noch nicht von der Immobilienspekulation in Premium-Objekte umgewandelt wurden, die Straße säumen.

Dennoch haben sich die Weinhauer des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts ganz sicher nicht in jene pseudoalpine Tracht aus Dirndl und Lederhose geworfen, die heute besonders von ÖVP- und FPÖ-Politikern, aber auch vom SP-Bürgermeister Michael Ludwig so fesch am Neustifter Kirtag getragen wird.

Soll halt "Bodenständigkeit" signalisieren. Zwischendurch können die vielen jungen Besucher des Kirtags vielleicht ja kurz an eines denken: Man muss ständig aufpassen, dass die Schutzzonen nicht angefressen werden. Und zwar von den Freunderln der Politiker, die da in Tracht herumrennen. (Hans Rauscher, 11.8.2019)