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Von der Ära des großen Schlachtens haben sich die Pottwalbestände bis heute nicht erholt. Mitverantwortlich dafür war die Gier nach Ambra.
Foto: AP Photo/Guam Variety News, Chris Bangs

Graz/Wien – Bis zum Beginn des großmaßstäblichen Walfangs im 19. Jahrhundert hatte der Pottwal (Physeter macrocephalus) keine natürlichen Feinde, zumindest wenn er ausgewachsen und damit 20 Meter lang war. Dann jedoch weckten – ganz wie in "Moby Dick" beschrieben – vor allem zwei Pottwalsubstanzen Begehrlichkeiten: der Blubber oder Speck, aus dem Öl gewonnen wurde, und die Ambra aus seinem Verdauungstrakt.

Ambra ist eine wachsartige Substanz, die unverdauliche Teile der Nahrung – etwa die Schnäbel von Tintenfischen – umschließt. Von Zeit zu Zeit erbrechen Pottwale große Klumpen von Ambra ins Meer. Wer einen solchen findet, hat Glück, denn die Substanz ist als Grundlage für die Herstellung von Parfüms bis heute überaus wertvoll. Ambra gilt als seltenster und teuerster tierischer Duftstoff, je nach Qualität verkauft sich das Kilogramm um bis zu 50.000 Euro. Im Zeitalter des industriellen Walfangs wurde Ambra den Tieren dann "direkt entnommen" – und die Spezies an den Rand des Aussterbens gebracht.

Grundlagen

"Als Hauptquelle von Ambra dient Ambrein. Dieser Triterpen-Alkohol wird als Stoffwechselprodukt im Darm von weniger als fünf Prozent der Pottwale gebildet", erklärt Harald Pichler vom Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und dem Institut für Molekulare Biotechnologie der Technischen Universität (TU) Graz. Dort ist es nun gelungen, den Duftstoff Ambrein umweltfreundlich herzustellen.

Einmal ausgeschieden, treibt Ambra oft jahrelang im Meer. Durch den Kontakt mit Salzwasser, Sonnenlicht und Luft entstehen aus Ambrein die Geruchsstoffe Ambrox und Ambrinol, die für den ausgewogenen Duft verantwortlich sind. Zum holzigen und balsamischen Aroma kommt noch die Fähigkeit, Düfte länger haltbar zu machen.

Weil Ambra so selten und der Handel mit Pottwalprodukten verboten ist, wird es seit den 1930er-Jahren synthetisch erzeugt. Doch die bisherige Synthese ist ineffizient, teuer und umweltschädlich. Zudem fehlt den Wissenschaftern zufolge dem synthetischen Duft die natürliche, komplexe und reichhaltige Duftmischung.

Neue Methode zum Patent angemeldet

Die Wissenschafter des acib und der TU Graz haben gemeinsam mit dem Industriepartner ACS International (Aroma Chemical Services) erstmals einen zur Gänze natürlichen Biosyntheseweg entwickelt. Sie brachten die Hefe Pichia pastoris dazu, Ambrein herzustellen. "Das bedeutet, dass wir zum ersten Mal das gesamte Duftspektrum, wie es auch im Pottwal natürlich vorkommt, auf biosynthetischem Wege abbilden können", so Pichler.

Das kann nach Angaben der Forscher preisgünstig, in bisher unerreichter Qualität und in größeren Mengen erfolgen. "Wir können aus einer einfachen Kohlenstoffquelle wie Glycerol oder Zucker mithilfe eines optimierten Enzyms eine siebenfach höhere Ausbeute erzielen, verglichen mit bisherigen enzymatischen Prozessen", sagt Sandra Moser, die in ihrer Dissertation an dem Thema forscht. Die Wissenschafter haben ihr Verfahren zum Patent angemeldet und wollen es nun auf Verwertbarkeit in industriellem Maßstab bringen. (red, APA, 26. 8. 2019)