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Pilze enthalten wertvolle Mineralstoffe, die der menschliche Körper nicht selbst herstellen kann. Steinpilze (im Bild) beispielsweise reichern unter anderem Selen an.

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Der Parasol transformiert Selen in eine einzige organische Verbindung – die Aminosäure Selenomethionin. Diese spielt eine wichtige Rolle beim Schutz der Zellmembranen vor oxidativer Zerstörung.

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Eierschwammerl reichern Kobalt an – ein Bestandteil des Vitamins B12.

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Pilze sind eigenartige Lebewesen: Sie sind sesshaft wie die Pflanzen, können aber im Unterschied zu diesen keine Fotosynthese erzeugen. Das heißt, sie müssen sich – wie die Tiere – von bereits vorhandenem organischen Material ernähren.

Anders als Tiere jedoch nehmen sie die Nährstoffe, die sie brauchen, in gelöster Form aus der Umgebung auf. Welche Spurenelemente sie dabei anreichern und welche Auswirkungen diese haben, untersuchen Grazer Chemiker derzeit im Rahmen eines Projekts, das vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wird.

Mineralstoffe sind lebensnotwendige, anorganische Nährstoffe. Da sie der Körper nicht selbst herstellen kann, müssen sie über die Nahrung aufgenommen werden. Manche, wie etwa Natrium oder Magnesium, werden in relativ großen Mengen benötigt, andere nur in winzigen Spuren, weshalb sie als Spurenelemente bezeichnet werden.

Arsenik

Dazu gehören unter anderem Eisen, das wesentlich für den Sauerstofftransport im Körper ist, oder Selen, das ein wichtiges Antioxidans ist, in höheren Dosen aber giftig. Unklar ist bislang die Rolle eines Spurenelements mit einschlägiger Geschichte, nämlich des Arsens.

Ob Ungeziefer, Ratten, Erbtanten oder politische Gegner – bis ins 19. Jahrhundert war Arsen, genauer: die Arsen-Sauerstoff-Verbindung Arsenik, das Mittel der Wahl, wenn es galt, diese zu beseitigen. Das Gift, das innere Blutungen auslöst, war lange Zeit verdachtsfrei zu erwerben und in den Opfern nicht nachzuweisen.

Auch die Familie Borgia soll ihren Widersachern gern eine Prise Arsen in den Wein geschüttet haben. Nachdem der britische Chemiker James Marsh 1836 allerdings ein Nachweisverfahren für Arsenik entwickelt hatte, gingen die Morde damit deutlich zurück.

Arsen ist jedoch nicht gleich Arsen – und schon gar nicht Arsenik. Arsen kommt in der Natur in anorganischer und organischer Form vor. Dabei gibt es im Boden und Wasser vorwiegend das giftigere anorganische Arsen, während in Lebewesen das weniger giftige organische Arsen auftritt.

Element mit schlechtem Ruf

Beide liegen in zahlreichen Verbindungen mit anderen Elementen und Stoffen vor, die jeweils unterschiedliche Eigenschaften haben. "Arsen hat einen schlechten Ruf", gibt Walter Gössler vom Institut für Chemie der Universität Graz zu, "aber es ist sehr häufig und kommt in vielen hochkomplexen Verbindungen vor. Ich halte es für wahrscheinlich, dass es auch eine positive physiologische Wirkung hat. Der Beweis dafür steht allerdings noch aus."

Um zu sehen, was Pilze alles an Mineralstoffen in ihrem Inneren anreichern, haben Walter Gössler und seine Kollegin Simone Bräuer gemeinsam mit tschechischen Kollegen mehr als tausend Proben von 230 heimischen Pilzarten untersucht.

Die ersten Ergebnisse zeigen, dass Arsen ein häufiger Bestandteil vieler Schwammerln ist: "Etliche Arten überschreiten den EU-Grenzwert für Reis von 0,2 Milligramm anorganischen Arsens pro Kilo Trockengewicht", erklärt Gössler. Ein Grund zur Panik ist das allerdings keiner: "Wer Pilze in den üblichen Mengen verzehrt, hat nichts zu befürchten", versichert der Chemiker, der selbst leidenschaftlicher Schwammerlsucher ist.

Aufpassen sollte man allerdings beim Kronenbecherling: Er enthält so viel Arsen, dass er roh stark giftig ist. Kocht man ihn aber in Wasser, geht das Arsen zu 95 Prozent ins Wasser. Schüttet man dieses weg, kann man auch den Kronenbecherling ohne negative Folgen verzehren.

Nahrung mit gesundheitlicher Funktion

Pilze enthalten aber nicht nur "böse" Mineralstoffe, sondern je nach Art ganz unterschiedliche: So reichern Steinpilze unter anderem Selen an und Eierschwammerln Kobalt, das ein Bestandteil des Vitamins B12 ist.

Der beliebte Parasol wiederum transformiert jede Form von Selen in eine einzige organische Verbindung, nämlich die Aminosäure Selenomethionin, die eine wichtige Rolle beim Schutz der Zellmembranen vor oxidativer Zerstörung spielt.

In Vorgängen dieser Art sieht Gössler große Chancen für die Zukunft: unter anderem in der Produktion von "functional food", also Nahrung, die auch eine gesundheitliche Funktion erfüllt. "Pilze eignen sich dafür hervorragend", ist Gössler überzeugt.

"Man könnte sie wichtige Spurenelemente anreichern und verstoffwechseln lassen und diese einfach beim Verzehr aufnehmen." Eine denkbare Zielgruppe dafür wären Menschen mit eingeschränktem Nahrungsspektrum wie etwa Veganer. Dazu muss man natürlich erst ganz genau wissen, was sich dabei in den jeweiligen Pilzen abspielt.

Austernpilze auf Kaffeesud

Eine Inspiration dafür sieht Gössler etwa beim Grazer Start-up Pilzkiste: Dort werden Austernpilze auf Kaffeesud produziert, den die Firma von verschiedenen Kaffeehäusern und Restaurants abholt. "Man könnte dem Kaffeesubstrat diverse Spurenelemente beisetzen und dann schauen, wie die Pilze diese in ihren Stoffwechsel einbauen", überlegt Walter Gössler.

Überhaupt sieht Gössler in Pilzen potenzielle Lösungen für viele Probleme der Welt, wobei man jedoch weniger an die klassischen Schwammerln denken sollte als an die zahlreichen anderen, weniger attraktiven Vertreter der Pilze, wie etwa Schimmelpilze. Manche Arten davon eignen sich zum Beispiel als biologische Schädlingsbekämpfer, andere sind sogar imstande, Plastik zu zersetzen oder mit Schwermetallen verseuchte Böden zu sanieren.

Doch zurück zu Steinpilz, Eierschwammerl und Parasol: Heuer ist bisher kein gutes Schwammerljahr, erklärt Gössler. Es hat einfach nicht genug geregnet. (Susanne Strnadl, 23.8.2019)