"Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist" – diese Warnung von Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer ist heute noch gültig. Zwar wurde der Mann nicht Bundespräsident, zwar flog die erste türkis-blaue Regierung nach kurzer Zeit spektakulär in die Luft – die Zeit der blauen Wunder ist aber noch nicht vorbei.

Wundern kann man sich angesichts der Angriffe auf die Justiz über die "Übergangsregierung", die diesen Namen völlig zu Unrecht trägt. Die Verfassung kennt diesen Begriff nicht. Regierende haben zu regieren.

Die Regierung schweigt

Österreichs Justiz gerät unter Beschuss? Die Regierung schweigt. Der Exvizekanzler, der sonst so gern auf Law and Order pocht, wirft der Justiz angesichts der Hausdurchsuchung in der Causa Casinos Willkür vor? Die Regierung schweigt. Der Altkanzler wirft der Justiz eine "Schmutzkübelkampagne" vor? Die Regierung schweigt.

Kein Minister, keine Kanzlerin, die daran erinnern, dass Hausdurchsuchungen auf Basis der Entscheidung von unabhängigen Richtern erfolgen. Kein Wort davon, dass die Staatsanwälte ihren vorgesetzten Behörden Tage vor den Razzien von ihrem Plan berichtet haben – und dass niemand, niemand etwas dagegen hatte.

Wer denkt, der Justizminister, die Bundeskanzlerin (Exchefin des Verfassungsgerichtshofs) oder der die Schönheit der Verfassung hochhaltende Bundespräsident würden Justiz und Rechtsstaat verteidigen, irrt.

Und darf sich wundern.

(Renate Graber, 20.8.2019)

Kanzlerin Brigitte Bierlein lässt wenig von sich hören.
Foto: Heribert Corn