Der interne Brief Rothensteiners wurde der "ZiB 2" zugespielt.

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Was macht eigentlich ein Aufsichtsrat? Diese Frage könnte man erheben, wenn man die Vorgänge in und um die Casinos Austria AG der letzten Monate beobachtet. Nach der Bestellung des früheren blauen Bezirksrats Peter Sidlo unter – milde formuliert – höchst bemerkenswerten Umständen macht auch der Umgang mit den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft stutzig. Casag-Präsident Walter Rothensteiner begab sich auf Tauchstation, intern kommunizierte er aber sehr wohl. Die in einem nun bekanntgewordenen Schreiben an den Aufsichtsrat formulierte Stellungnahme verbessert das Bild der Performance des Kontrollgremiums nicht wirklich.

Da wäre einmal das Festhalten an Sidlo als Finanzvorstand, solange die Ermittlungen laufen. Klarerweise gilt für den Mann die Unschuldsvermutung, doch die Casag könnte sich damit einen Bärendienst erweisen. Sie lebt im In- und Ausland von öffentlich vergebenen Lizenzen, die vielfach an hohe Wohlverhalten-Standards geknüpft sind. Erfahrungen hat man damit schon ausreichend gesammelt: Als vor ein paar Jahren Geldwäschedelikte in Argentinien konstatiert wurden, waren Lizenz und Investment in ein Kasino perdu.

Fragwürdige Bestellung

Auch die Sidlo-Bestellung ist unter dem Gesichtspunkt der hohen Standards im Glücksspielbereich zu sehen. Konzessionen sind laut Glücksspielgesetz an "fachlich geeignete" und erfahrene Geschäftsleiter gebunden. Voraussetzung dafür ist, "dass der Geschäftsführer in ausreichendem Maße theoretische und praktische Kenntnisse in den beantragten Geschäften der Konzession sowie Leitungserfahrung hat". Sidlo war bekanntermaßen davor Chef einer kleinen Investmentfirma seines Schwagers mit sechs Mitarbeitern.

Dann wäre da noch der Umgang mit dem kritischen Bericht des Headhunters zur Qualifikation Sidlos. Von dem wusste freilich nur das Aufsichtsratspräsidium, nicht das gesamte 15-köpfige Gremium. Warum, das erschließt sich ebenfalls aus Rothensteiners Brief. Es gab einen Beschluss des Aufsichtsrats, wonach die Evaluierung des Personalberaters Egon Zehnders nicht vorgelegt werden sollte. Das "Kontrollgremium" hat sich somit selbst fundierter und relevanter Informationen beraubt. Da fragt man sich schon, was für Leute in Österreichs Aufsichtsratsetagen sitzen, noch dazu in solchen eines teilstaatlichen Konzerns, der obendrein in einer höchst sensiblen Branche tätig ist.

Die Vorgangsweise des Gremiums und seines Präsidenten schadet nicht nur dem eigenen Unternehmen, dessen Ruf seit den Razzien und dem Bekanntwerden des offenkundigen Postenschachers völlig ramponiert ist. Sie tut auch dem Ruf der Aufsichtsräte generell nicht gut. Das ist bitter, denn einst wurden dort tatsächlich Plauderstunden im vertrauten Kreis abgehalten. Doch seit Compliance einen anderen Stellenwert hat, hat sich die Qualifikation der Aufsichtsräte generell verbessert. Aber eben nicht überall. Angesichts der Vorgänge in den Casinos Austria darf die Frage erlaubt sein: Auf welchem Planeten lebt der dortige Aufsichtsrat eigentlich? (Andreas Schnauder, 22.8.2019)