Nach 14 Jahren meldet sich Hip-Hop-Star Missy Elliott zurück. Ihre EP "Iconology" ist ein ansprechender Appetizer. Doch da kommt wohl noch mehr.

Foto: Warner Music

Im Prinzip ist diese Veröffentlichung nicht mehr als ein Räuspern, und dennoch weichen alle respektvoll zu Seite. Schließlich macht sich damit Melissa Arnette "Missy" Elliott den Hals frei. Sie zählt mit Lauryn Hill zu jenen Damen, die in den 1990ern die Tür für weiblichen Hip-Hop derart aufrissen, dass das männlich dominierte Genre kapieren musste, dass nun nicht mehr nur über die Extrawurst in der Hose gerappt werden würde.

Ein Jahr bevor Hill nach dem Bruch mit den Fugees und deren Welterfolg The Score als Solokünstlerin reüssierte, veröffentlichte die heute 48-jährige Missy Elliott ihr Debüt Supa Dupa Fly. Das war nach Aaliyahs One in a Million die zweite Visitenkarte in Platin des Produzenten Timbaland, dem Elliott bis heute die Treue hält. Er ist an dem eben veröffentlichen Räusperer von Missy erneut beteiligt. Die US-Rapperin hat die EP Iconology veröffentlicht. EP ist die Abkürzung für Extended Play, das ist eine Art schwangere Single, die im konkreten Fall fünf Tracks umfasst.

Neu und alt zugleich

Neben wenigen Stücken und Gastauftritten ist es ihre erste Arbeit seit 14 Jahren. Seit dem Album The Cookbook von 2005 war es ruhig um sie geworden – andererseits ist sie ob ihrer Pionierarbeit allgegenwärtig. Zumal ihre mit Timbaland produzierten Alben mit ihren für den Hip-Hop bis dahin ungehörten Breaks und Bruchstellen viele ästhetische Veränderungen vorwegnahmen, die im Genre und seinen Verästelungen heute Standard sind.

Dementsprechend klingt Iconology neu und alt zugleich. Das Spiel mit Trap und Bassmusik ist für Elliott und Timbaland vertrautes Terrain. Das hat zwar damals noch nicht so geheißen, aber manche alten Elliott-Tracks klingen, als wären sie eben erst hochgeladen worden. Auch so gesehen ergibt ein Comeback zur jetzigen Zeit Sinn. Denn nie zuvor gab es so viele Females im Hip-Hop. Bei der Menge muss dann hin und wieder sogar eine Frau Männchen machen und daran erinnern, wer da damals ganz vorne war. In aller Deutlichkeit.

Domina im Outfit für die Staatsoper

Im Video zu Throw it Back wird ein Mädchen von anderen in einen Raum gestoßen, den sie nicht kennt. "Wo bin ich?", fragt sie eine dort stehende Dame im Domina-Outfit für die Staatsoper. "Du weißt nicht, wo du bist?", fragt diese entsetzt. "In den Hallen von Missy natürlich." Die Kaulquappe hat keine Ahnung, wer Missy sein soll, die Domina verspricht Aufklärung und schickt das Mädchen aus der Tür. Schnitt. Nun sieht man Missy Elliott vor einem fetten Anwesen, wie sie sich gerade selbst den roten Teppich ausrollt. Die Message ist klar, sie lautet: "Ich. Bin. Zurück."

Throw It Back – Miss Elliott rollt sich selbst einen roten Teppich aus.
Missy Elliott

Und nicht nur Männer pinkeln Revier, das kann Elliott auch. Eingebettet in eine loyale Gang in Pink wird sie konkret. "If it's competition", rappt sie, "I put them to shame." Oder, alterswild: "What you doin' now, I did for a while."

Mächtiger Schatten

Throw It Back klingt ein wenig wie die Musik der jungen, aus Philadelphia stammenden Tierra Whack. Die war zwei Jahre alt, als Elliott ihr Debütalbum veröffentlichte. Heute zählt sie zur Riege spannender junger Rapperinnen. Man darf sich aussuchen, ob Missy Elliott also wegen Ähnlichkeiten zu Nachfolgerinnen heute noch frisch klingt oder ob die Nachgeborene, vielleicht ohne es zu wissen, bloß in Elliotts mächtigem Schatten spielt. Den Fans kann und wird es egal sein.

Klarheit wird ohnehin erst ein Longplayer bringen. Bis dahin kann man sich an diesen neuen Tracks erfreuen, ohne sich alt zu fühlen. Und wenn man Elliott im Video sieht, meint man zu spüren, dass sie will und kann. Da hat jemand Blut geleckt: "Don't look for another Missy 'cause there'll be no 'nother one." Schaun wir mal. (Karl Fluch, 26.8.2019)