Ein Sammelband – im Wahlkampfsommer 2019 – mit prophetischen Zügen.
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Als der Salzburger Jurist und Uni-Professor Nikolaus Dimmel gemeinsam mit dem Wiener Politikwissenschafter und Hochschulprofessor Tom Schmid Ende 2018 den Sammelband Zu Ende gedacht – Österreich nach Türkis-Blau herausgegeben hatte, ahnten wohl beide nicht, wie rasch der Untertitel des Buches geradezu prophetische Züge annehmen könnte. Ibiza-, Reisswolf- und Casino-Gate waren noch weit entfernt, das mediale Interesse an einem Sammelband verschiedenster Autoren aus dem fortschrittlichen Spektrum des Landes gering.

Im Wahlkampfsommer 2019 lesen sich die 46 Beiträge plötzlich ganz anders – unwillkürlich realer und fallweise ungewollt komisch. Etwa wenn der Soziologe Reinhard Kreissl über die Außensicht auf Österreich als "Bananenrepublik mit Operettenstaat" schreibt oder der Schriftsteller Erwin Riess von "burschenschaftlichen Saufköpfen mit Sonderverträgen in Ministerialkabinetten" schreibt.

Drei Fragen

Die Herausgeber Dimmel und Schmid haben zu dem, was sie "Gespenst der reaktionären Gegenreformation" in Österreich und Europa oder gleich "Groß-Visegrád" nennen, 200 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur drei Fragen gestellt: "Was ist los? Was wird geschehen? Was tun?" Rund 50 Persönlichkeiten haben daraufhin in die Tasten gegriffen – neben Schriftstellern wie Peter Turrini die aktiven oder ehemaligen Nationalratsabgeordneten Alfred J. Noll (Jetzt), Harald Walser (Grüne), Alois Stöger (SPÖ) und Wissenschafter wie Klaus Ottomeyer, Emmerich Tálos oder Heinz Schoibl.

Es ist der Form des Sammelbands geschuldet, dass viele Texte skizzenhaft bleiben, fertige Antworten werden keine angeboten. Wohl aber ist der Band ein Kaleidoskop eines links-demokratischen Diskurses, der in den vergangenen Monaten und Jahren deutlich ins Hintertreffen geraten ist. (Thomas Neuhold/26.8.2019)