Westliche Flachlandgorillas haben eine klar definierte Beziehungsstruktur: Sie leben in Gruppen, die stets aus einem Männchen und mehreren Weibchen besteht. Der Silberrücken schützt die Gruppe vor Raubtieren, konkurrierenden Gorilla-Männchen und anderem Ungemach, die Weibchen weichen dafür nicht von seiner Seite. Allerdings kommt es vor, dass die weiblichen Menschenaffen die Gruppe wechseln – manchmal sogar mehrmals im Laufe ihres Lebens.

Ein Silberrücken stellt sich schützend vor seine Gruppe.
Foto: Marie Manguette/WCS-Congo

Nachteilige Optionen

Wenn sich für den Silberrücken das Ende seiner Fortpflanzungszeit nähert, stehen die Weibchen vor einem Dilemma: Sollen sie bis zu seinem Tod bei ihm bleiben oder ihn für ein anderes, fitteres Männchen verlassen? Biologen sind der Frage nachgegangen, wie sich die Tiere entscheiden und kommen zum Schluss: Beides bringt Nachteile für die Fortpflanzung, die Tiere stehen vor einem Dilemma.

"Weibliche Gorillas scheinen unterschiedliche Strategien in Bezug auf Fortpflanzung und Gruppentransfer zu verfolgen", sagt Marie Manguette vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. "Wir haben beobachtet, dass manche Weibchen nach jeder Nachwuchs-Entwöhnung und somit bis zu sechsmal in ihrem Leben in eine andere Gruppe wechseln, während andere 20 Jahre lang bei demselben Männchen bleiben und sich mit ihm fortpflanzen."

Die Weibchen bleiben stets bei einem Männchen – aber nicht unbedingt bei dem selben.
Foto: Vidrige Kandza/WCS-Congo

Drohender Infantizid

Für ihre Studie im Fachblatt "Behavioural Ecology and Sociobiology" werteten Manguette und Kollegen Daten von 100 Gorillaweibchen und 229 Säuglingen aus 36 verschiedenen Gruppen aus, die in der Republik Kongo über einen Zeitraum von 20 Jahren gesammelt worden waren. Sie konnten nachweisen, dass ein hoher Anteil des Nachwuchses eines Weibchens mit einem älteren Männchen, dessen aktive Zeit sich dem Ende neigt, nicht überlebt. Manguette: "Wenn ein Silberrücken stirbt, schließen sich die Weibchen seiner Gruppe einem anderen Männchen an."

Stillt ein Weibchen zu diesem Zeitpunkt aber noch den Nachwuchs des älteren Männchens, wird der neue Silberrücken diesen höchstwahrscheinlich töten, um sich sofort mit dem Weibchen paaren und eigenen Nachwuchs zeugen zu können. Weibliche Flachlandgorillas können die Kindstötung trotz Gruppenwechsels nur verhindern, indem sie nach dem Abstillen das Junge beim Vater zurücklassen.

Weniger Geburten

Der Partnertausch hat aber auch noch andere Konsequenzen: Wenn sich Weibchen einem neuen Männchen anzuschließen, verlängern sich die Intervalle zwischen den Geburten, sprich: Die Anzahl der Geburten im Leben eines Weibchens sinkt. Diese Verzögerungen können erheblich sein: Weibchen, die im Laufe ihres Lebens viermal die Gruppe gewechselt haben, brauchen etwa zehn Jahre länger, um überlebenden Nachwuchs zu gebären, als Weibchen, die ihre Gruppe nicht wechseln.

"Gorillaweibchen, die in der Gruppe eines älteren Silberrückens sind, stehen also vor einem Dilemma: Sollen sie bleiben und sich weiterhin mit ihm fortpflanzen, auch wenn ihr Nachwuchs getötet werden könnte, sollte er sterben. Oder sollen sie die Gruppe verlassen, auch wenn es für sie dann zu erheblichen Verzögerungen bei der Fortpflanzung kommen könnte", so Manguette. Woher wissen die Weibchen überhaupt, wann sie die Gruppe verlassen sollten? Wie die Forscher berichten, verlassen viele ihr Männchen schon lange vor seinem Tod. Offenbar bemerken sie, wenn ein Männchen schwächer wird, etwa wenn es im Vergleich zu anderen Männchen in Auseinandersetzungen schlechter abschneidet. (red, 16.9.2019)