Bis 2030 sinken die Fähigkeiten des Bundesheers auf null, wenn nicht bald Milliardenbeträge lockergemacht werden, sagt Minister Starlinger.

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Es geht ja nicht ums Bundesheer. Es geht auch nicht um das, was man mit Krieg verbindet. Denn klassische Landesverteidigung, die Abwehr des Angriffs einer Armee auf österreichisches Territorium, können die Streitkräfte unserer Republik längst nicht mehr leisten.

Das ist der Politik bewusst, die türkis-blaue Koalition hatte sich sogar die Wiederherstellung des verfassungsmäßigen Zustands vorgenommen. Getan hat sie halt (fast) nichts dafür. Politiker berufen sich, wenn eine sicherheitspolitische Nagelprobe ansteht, auf budgetäre Zwänge und wissen eine Mehrheit einer durch Jahrzehnte des Friedens für mögliche Bedrohungen unsensibel gewordene Bevölkerung hinter sich. Krieg kommt eh keiner.

Nüchterne Analyse

Thomas Starlinger ist kein gelernter Politiker; umso mehr ist er Fachmann. Und er hat in der kurzen Zeit, die ihm als Minister einer Übergangsregierung gegeben ist, etwas geleistet, was anderen Ressorts auch gut anstehen würde: Am Dienstag hat er eine Bestandsaufnahme der Mängel in seinem Ressort vorgelegt. Diese legt eindringlich dar, dass die wahrscheinlichste Bedrohung eben nicht von einem Krieg ausgeht – sondern von politischer Erpressung und von terroristischen Angriffen.

Sehr plötzlich könnte durch Anschläge auf Menschenansammlungen oder durch einen Angriff auf die Energieversorgung (die Raffinerie Schwechat ist im Prinzip ähnlich verwundbar wie eine Raffinierie in Saudi-Arabien) eine Krise entstehen. Cyberangriffe auf Handynetze, Stromanbieter oder Medienunternehmen könnten unabsehbare Unordnung schaffen – Gewalt, begleitet von Desinformationen, ist ein erschreckendes Szenario.

Nicht nur Staaten haben Angriffswaffen

Die Mittel zu solchen Angriffen sind weit verbreitet, im Internet ebenso wie in kriminellen und terroristischen Organisationen, die längst über Militärwaffen verfügen.

Was da droht, ist noch weit von einem Krieg entfernt. Und das Spektrum dessen, was das Bundesheer in einem solchen Krisenfall leisten müsse, ist enorm breit. Aber das ist weder der Politik noch der Öffentlichkeit bewusst.

Diskussionsbeiträge ohne Sachkenntnis

Dort schwadronieren selbst ernannte Experten gern über die Sicherheit, die ein Neutraler angeblich genießt, wenn er nur von Nato-Staaten umgeben ist. Russland-Versteher behaupten, dass in Europa keiner mit Gewalt Grenzen verschiebe. Sozialromantiker schwärmen davon, dass Bildung und Sozialleistungen sämtliche Konflikte beseitigen würden – während neoliberale Kostenrechner behaupten, dass das Bundesheer "zu viele Generäle" habe (wobei unterschlagen wird, dass in vergleichbaren Organisationen die Damen und Herren im Generalsrang eben Ministerialrat oder Hofrat heißen). Und völlig verdrängt wird, dass die viel kleinere Schweiz doppelt so viele Soldaten zählt wie Österreich.

Gut, dass Starlinger die Mängel angesprochen hat. Noch besser, wenn die Politik die nötigen Milliarden in die Hand nehmen würde, um sie zu beseitigen.

Es geht nicht ums Heer. Es geht um Österreichs Sicherheit. (Conrad Seidl, 17.9.2019)