Damals und heute: die Körper eines gegenwärtigen und eines jurazeitlichen Porzellankrebses.
Foto: Cristina Robins & Adiel Klompmaker, UC Berkeley

Wien/Ernstbrunn – Auf indirekte Weise ist das Naturhistorische Museum Wien aktuell zum Thema im Fachmagazin "Zoological Journal of the Linnean Society" geworden. US-Forscher haben nämlich die Museumsbestände studiert und zeigten sich anschließend begeistert über die Fülle an Springkrebsen aus dem Erdmittelalter, die dort vorhanden sind. Es handelt sich um die weltweit größte Fossiliensammlung dieser Tiere.

Nachdem der Superkontinent Pangaea in das nördliche Laurasia und das nördliche Gondwana zerfallen war, erstreckte sich dazwischen der Tethys-Ozean, der große Teile des heutigen Europa bis weit in die Erdneuzeit herein bedeckte. Ablagerungen der einstigen Meeresfauna wurden vor allem im Weinviertel entdeckt.

Die Korallenriffe des Weinviertels

Für ihre aktuelle Studie rekonstruierten die Forscher um Christina Robins von der University of California die einstigen Rifflandschaften der Tethys. Teilweise, so die Forscher, hätten sie auf heutige Taucher sehr vertraut gewirkt – mit Korallen, Seeigeln, Krebsen und anderen Tieren, die heute noch lebende Verwandte haben. Dazwischen hätten sich allerdings auch inzwischen ausgestorbene Gruppen wie etwa Ammoniten gemischt.

Teil dieser Meeresfauna waren Springkrebse, Angehörige einer heute noch existierenden Familie von Zehnfußkrebsen, die im Schnitt eher kleingewachsen sind und wie eine Kreuzung aus Hummer und Krabbe aussehen. Ihr Körper ist länger als breit, und sie laufen auf drei Beinpaaren, während Krabben vier nutzen. Ihr erstes Beinpaar trägt Scheren, ist meist länger als der Körper und wird weit vorgestreckt.

Umfassende Sammlung

"Ich war überwältigt von der Sammlung von 150 Millionen Jahren alten Fossilien, über die ich im Naturhistorischen Museum gestolpert bin", sagte Robins. Sie zählte dort 2.348 Springkrebs-Relikte, die aus dem niederösterreichischen Ernstbrunn stammen. "Dank eines sehr engagierten Sammlers, der einst Unmengen zusammengetragen hat, haben wir jetzt eine wirklich großartige Momentaufnahme, wie die Springkrebs-Fauna und die dazugehörige Riff-Bewohnerschaft damals ausgesehen haben", so die Forscherin.

Das Springkrebs-Ensemble aus dem Weinviertel umfasste 53 Arten, 22 Gattungen und sechs Familien. Computeranalysen deuten darauf hin, dass dies ein beinahe vollständiges Bild der damals vorkommenden Springkrebs-Vorkommen ist, so die Forscher. Die Tiere scheinen damals viel variantenreicher als 50 Millionen Jahre später gewesen zu sein – das legt zumindest ein Vergleich mit 100 Millionen Jahre alten Fossilien aus der Kreidezeit Spaniens nahe.

Beschwerliches Krebsleben

Aktuell dürfte der Weg für diese alte Tiergruppe weiter nach unten führen, so Robins: Korallenriffe werden zunehmend in Mitleidenschaft gezogen, und wenn dies so weitergehe, würden die Springkrebse bald große Verluste erleiden.

Gänzlich problemfrei war aber natürlich auch das Goldene Zeitalter der Springkrebsvielfalt nicht, wie Robins betont. Die Fossilienbestände des NHM zeigten nämlich, dass jedes zehnte Exemplar von Parasiten geplagt wurde. Charakteristische Schwellungen nahe den Kiemenregionen der Krebse verraten, dass sie von blutsaugenden Meerasseln befallen wurden. Deren Nachfahren peinigen Springkrebse auch heute noch. (APA, red, 20. 9. 2019)

Das 150 Millionen Jahre alte Fossil eines Springkrebs-Rumpfes zeigt links unten eine Schwellung – hier hat eine Assel zugeschlagen.
Foto: Cristina Robins & Adiel Klompmaker, UC Berkeley