Wallner (li.) und Rauch gehen in die zweite gemeinsame Legislaturperiode.

Foto: Dietmar Mathis

Bregenz – Sind da wirklich zwei unterschiedliche Parteien am Werk? Hört man Vorarlbergs VP-Chef Markus Wallner und seinem grünen Alter Ego Johannes Rauch zu, könnte man meinen, zwei Firmenchefs gingen ein Joint Venture ein. Ressortübergreifend werde man künftig arbeiten, eine Steuerungsgruppe werde die Arbeit koordinieren, die Interessenkonflikte würden in einem Strategiedialog Wirtschaft – Umwelt bereinigt.

Wallner und Rauch präsentierten am Dienstagvormittag das schwarz-grüne Arbeitsprogramm für die nächsten fünf Jahre. Titel des 90 Seiten starken Programms: "Unser Vorarlberg – chancenreich und nachhaltig".

Handschlagqualität und Grundvertrauen prägten die Zusammenarbeit, sagte Landeshauptmann Wallner über die Partnerschaft mit Grünen-Chef Rauch. Weil man einander nach fünf Jahren kenne, sei die Erarbeitung des Papiers schneller und präziser über die Bühne gegangen. Man war sich einig: "Die Herausforderungen der nächsten Jahre können nur gemeinsam bewältigt werden."

Ziel Nummer eins von Schwarz-Grün II: Vorarlberg soll bis 2025 zum chancenreichsten Lebensraum für Kinder werden. Dazu gehöre vor allem, der jungen Generation rasche Antworten auf ihre Fragen zu Umwelt und Klimaschutz zu geben.

Drei neue Wasserkraftwerke

Der Klimanotstand wurde bereits ausgerufen, nun gelte es, Standort- und Umweltpolitik unter einen Hut zu bringen, sagten Wallner und Rauch. Gelingen soll das mit einem Strategiedialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Moderiert wird von der Landesregierung.

Künftig werden die Regierungsmitglieder ressortübergreifend arbeiten. Klimaschutz und Raumplanung sind die beiden wesentlichen Querschnittsmaterien. Konkrete Ziele: Bis 2030 soll der Strom zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Dazu ist der Bau von drei neuen Wasserkraftwerken notwendig. Zudem werden die Illwerke/VKW eine Photovoltaik-Offensive starten, damit auf allen Industrieflachdächern Sonnenstrom erzeugt wird. Finanziert werden soll das mit Beteiligungsmodellen, die noch ausgearbeitet werden.

Kompromisse beim Straßenbau

Beim Verkehr einigte man sich auf einen Kompromiss zu den strittigen Projekten Stadttunnel Feldkirch und S18. Gebaut werden soll nicht vor Ablauf aller Verfahren. Rauch ist optimistisch, dass die Verfahren dauern werden, Wallner, dass noch in dieser Periode gebaut wird.

Für den Fall, dass man bei der Interpretation der Formulierungen, beispielsweise "sinnvolle Etappierung der Umsetzung des Projekts" (S18) oder "Abschluss der außerordentlichen Rechtsverfahren" (Stadttunnel Feldkirch), auseinanderdriftet, gibt es den Koalitionsausschuss zur Schlichtung. Was den Stadttunnel betrifft, wird es noch Diskussionen geben. Wallner meint, er werde in den nächsten fünf Jahren realisiert, "denn wir sind fast am Ende der Verfahren angekommen". Die Feldkircher Grünen sehen sich noch mittendrin.

Die Krux mit den Ausnahmen

Ein weiteres Streitthema, die Reduktion der Grünzone durch Industriebauten, soll durch "breit akzeptierte Regeln für die Kompensation" beigelegt werden. Die Herausnahme von Flächen aus der Grünzone soll nur in Ausnahmefällen möglich sein. Besprochen werden sollen die Ausnahmen im Strategiedialog.

Die Wirklichkeit ist aber schneller: Eine der Ausnahmen wurde in der Regierungssitzung kurz vor der Präsentation des Papiers genehmigt – sechs Hektar Grünzone für die Firma Liebherr. Über eine weitere Ausnahme, die Erweiterung von Rauch / Red Bull in die Grünzone, wird am Sonntag in Ludesch eine Volksabstimmung abgehalten.

Bildungsoffensive ohne Modellregion

Aber zurück zum Arbeitspapier: Dem Fachkräftemangel will man durch massiven Ausbau der Fachhochschule begegnen. Der Grünen-Vorschlag, sich mit Nachbarländern am Projekt Europäische Universität zu beteiligen, wurde angenommen. Neu im Bildungsprogramm ist der Schwerpunkt Elementarpädagogik. Die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen, 2014 noch das Hauptanliegen der Grünen, bleibt weiter Ziel. Von einer Modellregion Vorarlberg ist nicht mehr die Rede.

Die Forderung zahlreicher Initiativen und Experten, die Raumplanung aus dem Wirtschaftsressort zu lösen, wurde nicht erfüllt. Man hätte dazu einen weiteren Landesrat gebraucht, sagte Wallner, wolle aber an der Tradition von sieben Regierungsmitgliedern festhalten. Zudem sei die Raumplanung wie der Klimaschutz eine Querschnittsmaterie und werde im neuen Stil ressortübergreifend behandelt.

Die neue Regierung wird bei der konstituierenden Sitzung am Mittwoch gewählt. (Jutta Berger, 5.11.2019)