Shirin Riazy entwickelte Methoden und Programme, welche die jeweilige Schlafphase klassifizieren können.

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Wer im Schlaflabor übernachtet, wird rundum verkabelt und verzurrt, von den Elektroden am Kopf bis zu den Gurten am Oberkörper. Atmung, Augenbewegungen, Hirnströme – die Analyse ist komplex.

Unter anderem werden dabei die unterschiedlichen Schlafphasen differenziert: Bevor es zum bekannten REM-Schlafstadium kommen kann, das nach den raschen Augenbewegungen benannt ist und während dessen wir träumen, durchläuft man üblicherweise die Stadien des Einschlafens, des leichten Schlafs sowie des Tiefschlafs.

Zur Unterscheidung dieser Phasen werten Schlafmediziner unter anderem die Hirnaktivität anhand von EEG-Aufzeichnungen aus, was noch immer händisch geschieht. Um diesen Arbeitsschritt in Zukunft zu automatisieren und mehr über Schlafphasen zu erfahren, entwickelte Shirin Riazy Methoden und Programme, welche die jeweilige Schlafphase klassifizieren können.

Für ihre Dissertation an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt arbeitete die Mathematikerin vor allem von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) aus. Acht Probanden erhielten lediglich Elektroden hinter den Ohren, anstelle ganz verkabelt zu werden. Auch mit reduzierten Messdaten sollten die Algorithmen Vorhersagen treffen können.

Dafür entdeckten und erlernten die Programme rhythmische Muster in den Hirnfrequenzen, die bestimmten Stadien entsprechen. Alpha-Wellen, die für entspannten Wachzustand typisch sind, verschwinden etwa beim Einschlafen.

80 Prozent Treffsicherheit

Bei dieser Studie betrug die Treffsicherheit der Klassifizierung 80 Prozent. Ein ähnlicher Wert ergibt sich, wenn man die Auswertungen verschiedener Schlafmediziner vergleicht: "Leider sind die Varianzen zwischen Diagnostikern relativ groß; vor allem, wenn eine Person von einer Schlafphase in die nächste übergeht, wird das unterschiedlich bewertet", sagt Riazy. "Das war ein großes Problem, weil der Algorithmus da maximal so gut arbeiten kann wie sein menschliches Vorbild."

Schon in jungen Jahren wusste Riazy, dass sie sich intensiv mit Berechnungen beschäftigen würde. Schließlich bedeutet ihr Nachname aus dem Persischen übersetzt "Mathematik", und viele ihrer Familienmitglieder interessieren sich für das Fachgebiet.

Sie entschied sich für ein Studium an der FU Berlin und der LMU München und für den Schwerpunkt Wahrscheinlichkeitstheorie. Ihr zusätzliches Interesse für Neurowissenschaften führte sie zum Doktoratsstudium im Bereich der Schlafforschung.

Neben dem Abschluss geht Riazy in einem weiteren Projekt der HTW der Frage nach, ob Algorithmen diskriminieren können. "Das einfachste Beispiel für mögliche Diskriminierung durch künstliche Intelligenz stellen automatisierte Jobanzeigen dar", sagt Riazy.

"Diese können zum Beispiel registrieren, dass weiße Männer am häufigsten auf Werbung für gut bezahlte Jobs klicken." Gefährlich wird es, wenn eine solche Anzeige folglich auch eher dieser demografischen Gruppe vorgeschlagen wird: "Der Algorithmus sollte nicht bewerten, wer häufiger draufklickt, sondern wer für die Position geeignet ist. In diesem Sinne tun viele Algorithmen nicht unbedingt das, was sinnvoll wäre." (Julia Sica, 17.11.2019)