SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner braucht ein glaubwürdiges Konzept.
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Nicht nur die türkis-grünen Koalitionsverhandler werden in den kommenden Wochen heftig schwitzen. Auch die Oppositionsparteien stehen angesichts der ungewöhnlichen Regierungskonstellation in spe vor neuen Herausforderungen. Wie attackiert man erfolgreich eine Regierung, die konservative mit ökologisch-linken Positionen verbindet? Die etablierte politische Kader mit einer eher unkonventionellen, alternativ sozialisierten Truppe zusammenspannt?

Eine solche Situation gab es in Österreich noch nie: Die SP-VP-Koalitionen deckten zwar ein ideologisch breites Spektrum ab, bildeten aber letztlich eine politische Mitte, die von links wie von rechts angreifbar war; die beiden VP-FP-Koalitionen standen eindeutig rechts, und in der SP-FP-Regierung von 1983 bis 1986 hatten die Blauen wenig politisches Profil.

Wenn Türkis-Grün zustande kommt, dann wird die Politik dieser Koalition zwar voller Widersprüche und Bruchstellen sein, aber sie wird sich von Kritikern nicht in ein politisches Eck stellen lassen. Erfolgreiche Oppositionspolitik verlangt leicht verständliche Erzählungen; solange die Koalition nicht krasse handwerkliche Fehler macht oder allzu viel streitet, wird sich ein solches Narrativ kaum anbieten.

"Kurz kippt nach links"

Am einfachsten ist die neue Oppositionsaufgabe für die FPÖ: Sie hat ihre Strategie mit dem Slogan "Ohne uns kippt Kurz nach links" schon im Wahlkampf formuliert. Nicht nur im Klimaschutz, auch in der Migrationspolitik wird Türkis-Grün genügend Angriffsflächen für rechtspopulistische Polemik bieten. Doch solange die Zahl der Flüchtlinge nicht deutlich steigt, werden Norbert Hofer und Herbert Kickl damit eher ihre eigene Basis ansprechen können.

Die Neos sind es gewohnt, Regierungen aus einer differenzierten Position der Mitte heraus bei konkreten Sachthemen zu kritisieren. Aber auch für sie war die Formulierung einer klar verständlichen Botschaft einfacher, als die Großparteien oder ein Rechtsbündnis an der Macht waren.

Am schwersten wird sich die SPÖ tun – unabhängig von Stärken und Schwächen ihrer Chefin Pamela Rendi-Wagner. Mit den Grünen anstelle der FPÖ an seiner Seite ist Sebastian Kurz nicht mehr so leicht als Feind der arbeitenden Menschen abzustempeln. Und weder bei Migration noch bei Klimaschutz kann die SPÖ die Grünen glaubwürdig links überholen. Das zeigte sich beim ersten derartigen Versuch: Der SP-Antrag auf eine jährliche Klimaschutzmilliarde im Nationalrat war ein allzu offensichtlicher Versuch, die Grünen in Verlegenheit zu bringen; die Antwort darauf – "Wir brauchen ein Gesamtkonzept" – fiel Grünen-Chef Werner Kogler nicht schwer.

Schreckgespenst Dirndlkoalition

Auch der für die SPÖ so wichtige Wahlkampf in Wien kommendes Jahr wird deutlich komplizierter, wenn der eigene Stadt-Koalitionspartner nun im Bund mitregiert. Michael Ludwig wird wohl versuchen, eine türkis-grün-pinke Dirndlkoalition, die ihn als Bürgermeister ablösen würde, als Schreckgespenst an die Wand zu malen. Aber die Wiener Grünen mit ihrer klaren Linkspositionierung passen in dieses Bild nicht gut hinein. Und ein Wahlkampf, in dem sich alles um die Bilanz der Stadtregierung dreht, ist für den Amtsinhaber ein beträchtliches Risiko.

Die schwierige Ausgangslage für die Opposition gibt einem zukünftigen türkis-grünen Bündnis einen Puffer. Angesichts der erwartbaren internen Spannungen werden Kurz und Kogler diesen gut gebrauchen können. (Eric Frey, 12.11.2019)