Schöne neue Welt oder die totale Dystopie? Technologieskeptiker befürchten, dass Beziehungen zwischen Kind und Maschine die zwischenmenschliche Interaktion ersetzen werden.

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Ein paar der Kinder haben ein Labyrinth aus Legosteinen gebaut und steuern eine summende Biene durch die Bausteingänge. Andere haben mit Klebestreifen Stifte auf dem Rücken der Biene befestigt, mit denen diese Muster auf einen Papierbogen malt. Keine Angst: Es handelt sich nicht etwa um Tierquälerei. Was hier stattfindet, ist Programmierunterricht für die Kleinsten. Die Biene ist ein Lernroboter, hört auf den Namen Bee Bot und ist weltweit in Kindergärten und Schulen im Einsatz.

Roboter, die wie Spielzeug aussehen oder humanoide Züge haben, werden möglicherweise schon bald selbstverständlicher Spiel- und Lernkamerad in Kindergärten und Schulen sein.

Derweil werden sie noch in Projektversuchen eingesetzt und von pädagogischem Personal als Tools fürs Erlernen von Robotik- und Programmiergrundlagen verwendet. Doch es gibt auch hierzulande erste Versuche, in denen die Roboter als Sprachlehrer eingesetzt werden: Sie bringen Kindern Vokabeln bei und unterhalten sie mit kleinen Reimen und Liedern.

Begleitende Beobachtung

Die frühen Kinderjahre sind eine Zeit des intensiven Lernens und der schnellen Gehirnentwicklung. In dieser Phase werden Fähigkeiten entwickelt, die ein Leben lang wichtig sind – von der Stärkung des Selbstgefühls bis hin zu wichtigen sozialen Fertigkeiten, Freude am Lernen, Teilen und der Konfliktbewältigung.

Ist es völlig unbedenklich, Kinder in dieser sensiblen Phase mit Maschinen spielen und lernen zu lassen? Skeptiker bezweifeln das. Sie befürchten, dass "Scheinbeziehungen" von Kindern zu Automaten irgendwann als Ersatz für menschliche Interaktion akzeptiert werden könnten.

Lernroboter wie Bee Bot (rechts) sollen Kindern Grundlagen des Programmierens und der Robotik vermitteln.
Foto: Tanja Waculik / Wiener Bildungsserver

"Wenn man diese Technologien nicht nur dazu nutzt, um die Kinder sprichwörtlich ruhigzustellen, spricht nichts dagegen, wenn man sie hin und wieder mit einem Roboter spielen lässt", sagt Elsbeth Stern, Professorin für empirische Lehr- und Lernforschung an der ETH Zürich. "Aber das darf natürlich nicht der einzige soziale Kontakt bleiben." Die kognitive Psychologin Stern sieht auch bei humanoid gestalteten Robotern keine Gefahr, denn "Kinder spielen ja auch mit Puppen und Stofftieren. Warum sollten Roboter also nicht auch menschenähnlich aussehen?"

Singapur ist eines jener Länder, in denen das Potenzial von Robotern im Klassenzimmer und Kindergarten schon sehr lange ausgelotet wird: Hier stellten Lehrer in den letzten Jahren immer wieder fest, dass die Maschinen vor allem schüchterne Buben und Mädchen zur Interaktion motivieren. Die Kinder fanden durch die Roboterunterstützung sogar besser Anschluss in den Klassen.

Bee Bot im Einsatz!
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Wenn Kinder in Gruppen mit einem Roboter spielen, dann erkennen sie auch zweifelsfrei die Unterschiede zwischen einer menschlichen Reaktion und jener der Maschine, sagt Stern und verweist auf Forschungsprojekte in den USA. Doch es sei wichtig, dass ein Elternteil oder Pädagoge die Interaktion zwischen Kindern und Robotern genau beobachtet. "Wenn sich das Kind irgendwann nur noch dem Roboter anvertraut, dann muss man natürlich etwas ändern."

So gut wie Brettspiele?

Am Departement für Informatik der ETH Zürich läuft eine vergleichende Untersuchung zwischen Bee Bots und Brettspielen, die von den Kindern ähnliche Denkweisen erfordern. Computer und Roboter haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Spielen: Sie erkennen Lernfortschritte bei den Kindern. Doch das solle man nicht überbewerten, sagt Stern: "Mensch ärgere dich nicht kann noch immer ein sinnvolles Spiel sein."

Anders als bei klassischen Brettspielen, die wichtig für die kindliche Entwicklung bleiben, erfahren Kinder im spielerischen Umgang mit Robotern viel über die wichtigste technologische Entwicklung und Zukunft: Sie lernen, wie man Maschinen programmiert und baut.

Das will auch der gemeinnützige Verein Wiener Bildungsserver fördern: Robotik und Programmieren als Teil der Medienbildung sollen auch die Kleinsten in Wiener Schulen und Kindergärten lernen. Lehrerinnen und Pädagogen können sich eine Digibox ausborgen, um den Kindern Robotik spielerisch näherzubringen. Lisa Pollak vom Verein sagt, dass neue Technologien zwar wichtig sind, die alten aber nicht ersetzen, sondern als Tool und Ergänzung dienen sollen. "Nicht jedes Kind, das im Kindergarten heute mit einem Roboter spielt, soll später Programmiererin oder Programmierer werden. Aber man kann mit den neuen Tools spannende Inhalte vermittel", sagt Pollak. (Olivera Stajić, 18.11.2019)