Auch wenn sich das am Montag angelaufene Volksbegehren für ein bedingungsloses Grundeinkommen schwertun wird, in die Rekordränge für Petitionen zu gelangen, so bleibt die Forderung ein höchst attraktives Konzept. Ein fixer Betrag, der jeder Bürgerin und jedem Bürger ein würdevolles Leben garantiert, wäre ein großer Schritt zu einer gerechteren und glücklicheren Gesellschaft, in der Arbeit nicht mit finanziellen Zwängen, sondern mit persönlicher Erfüllung verbunden ist. Der Staat erspart sich viel Verwaltungsaufwand; die Angst, dass die meisten Menschen sich dann auf die faule Haut legen werden, ist unbegründet, wie zahlreiche Studien zeigen. Und wenn Arbeit freiwillig wird, dann müssen viele ungeliebte Jobs, etwa im Sozialbereich, deutlich besser bezahlt werden. Auch das wäre wünschenswert.

Aber alle Initiativen für ein Grundeinkommen, sei es das Schweizer Referendum 2016 oder das aktuelle Volksbegehren, haben einen Haken: Sie stellen Forderungen auf, deren Kosten alle bestehenden Sozialprogramme übertreffen, bleiben aber bei der Finanzierung vage. Das muss sich eine reiche Gesellschaft wie unsere einfach leisten können, heißt es oft. Oder man verbindet den Plan für das Grundeinkommen mit neuen Steuern, deren Machbarkeit im Dunkeln liegt.

Ein fixer Betrag, der jeder Bürgerin und jedem Bürger ein würdevolles Leben garantiert, wäre ein großer Schritt zu einer gerechteren und glücklicheren Gesellschaft.
Foto: imago/Christian Ohde

Die Finanzierung ist allerdings keine Nebensache; sie stellt das Kernproblem dieser sozialpolitischen Utopie dar. Denn der Wohlstand in den reichen Industriestaaten ist keine Schatztruhe, bei der man sich für gut gemeinte Vorhaben bedienen kann. Er muss Tag für Tag von Menschen erwirtschaftet werden. Über Vermögens- und Finanzsteuern allein lässt sich selbst bei größter Anstrengung ein anständiges Grundeinkommen nicht finanzieren. Darauf zu hoffen ist einfach naiv.

Unbezahlbares Luftschloss

Die Folge ist, dass dann Arbeitseinkommen höher besteuert werden müssten, was wiederum alle Jobs weniger attraktiv machen würde. Darüber hinaus müsste der Staat auch sparen; schließlich soll das Grundeinkommen die meisten anderen Sozialleistungen ersetzen. Das aber würde Menschen mit den größten Bedürfnissen, die etwa besondere medizinische oder pädagogische Leistungen benötigen, am härtesten treffen. Die meisten Österreicher brauchen keinen staatlichen Zuschuss von 1200 Euro im Monat, einige aber benötigen viel mehr. Das Grundeinkommen schert eine Gesellschaft mit grundverschiedenen Problemen über einen Kamm. Das ist nur auf den ersten Blick gerecht.

Was die Befürworter gern ignorieren: Österreich und andere Staaten in Europa bieten bereits eine Art Grundeinkommen – in Österreich ist das neben Arbeitslosenversicherung und Pensionssystem seit 2010 die Mindestsicherung. Dieses wurde in den vergangenen Jahrzehnten in der Summe immer weiter ausgebaut – selbst unter der türkis-blauen Regierung.

Der heutige Sozialstaat ist flexibel und finanzierbar; er setzt auch auf Sachleistungen, die oft wirkungsvoller sind als allgemeine Geldgeschenke. Und er sorgt erfolgreich dafür, dass erwerbsfähige Personen im Arbeitsmarkt bleiben und nicht durch Untätigkeit ihre Fertigkeiten und ihre Würde verlieren. Dieses System gehört Schritt für Schritt verbessert und nicht für ein unbezahlbares Luftschloss geopfert.

Für Grundeinkommen-Fans ist all das nichts oder viel zu wenig wert. Diese Haltung redet den Sozialstaat schlecht und schwächt ihn. Das ist nicht nur falsch, sondern auch ärgerlich.(Eric Frey, 18.11.2019)