Julia Jurtschak macht ihren Lebensgefährten für den anlaufenden Wahlkampf zurecht. Inge Posch-Gruska, die einflussreiche Bürgermeisterin aus Hirm, sieht's mit Wohlwollen.

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Tuinatui! Das ist ein schöner, eigentümlicher Ausdruck aus dem eigentümlich schönen Sprechgesang der Hianzen, eines annähernd deutschsprachigen Volksstammes im Burgenland. Tuinatui: Das spannt einen weiten Bedeutungsbogen vom aufmunternden "Tu weiter so!" über das ignorierende "Tu nur!" bis hin zum fast warnenden "Tu nur so weiter!".

In ungefähr diesem Bedeutungsbogen durfte man wohl die SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner verstehen, als sie, unlängst im vollbesetzten Liszt-Zentrum zu Raiding, das Sozialdemokratische am Burgenland über jenen grünen Klee lobte, der in Wien zuweilen so bitter schmeckt und manchmal sauer aufstößt.

"So habe ich den Hans Peter kennengelernt", plauderte Rendi-Wagner aus der Schule des einstigen Ministerratslebens, "Sakko aus, Ärmel rauf." Sie meinte es wahrscheinlich anders. Aber geklungen hat es wie "Tuinatui!".

Krajzbraver Bui

Mit dem SPÖ-Wahlparteitag in Raiding – wo sie einst dem kleinen Franzl Liszt aufmunternd zugerufen haben: "Tuinatui, du krajzbraver Bui!" – hat endgültig der Wahlkampf für die burgenländische Landtagswahl am 26. Jänner begonnen. Die Genossinnenen und die Genossen haben sich – ein steiermärkisches Desaster hintanzuhalten – einmütig hinter dem sakkolosen Tuer versammelt.

99 Prozent haben Hans Peter Doskozil zum Spitzenkandidaten jener Partei gekürt, die sich zwar schon noch SPÖ nennt. Hauptsächlich aber "Liste Doskozil". Voller Name: "Liste Doskozil – SPÖ Burgenland". Keine reine Partei. Mehr eine Bewegung!

Vorbildhaft

Dass die SPÖ Burgenland damit tut, was die ÖVP mit dem Sebastian Kurz längst schon getan hat – ein schweres Kaltblut vor den festgefahrenen Wagen zu spannen –, ficht die roten Strategen wenig an. Denn auch Kurz hat ja abgekupfert: Schon Bruno Kreisky und Jörg Haider sind eine Zeitlang Fluchtpunkte ihrer Parteien gewesen.

Auch Hans Peter Doskozil soll so weit über die schütter gewordene Parteistruktur hinauswirken. Man wolle, sagen die zwei Geschäftsführer Christian Dax und Roland Fürst mit einem Mund, eine Einladung an alle aussprechen, "die wollen, dass Hans Peter Doskozil auch weiterhin Landeshauptmann des Burgenlandes bleibt".

Die Schwarzen, die im Burgenland so türkis sind wie Sebastian Kurz selbst, wollen das klarerweise und ganz ausdrücklich nicht. Und ausdrücklich fahren sie für die Landtagswahl eine andere, beinahe gegenteilige Linie. Während die Liste Doskozil nämlich alles tut, um vergessen zu machen, dass sie im Grunde auch nur ein bloßer Teil der großen – gerade so durchgebeutelten – roten Familie ist, lässt Thomas Steiner, der Spitzenkandidat, sich ausdrücklich Seite an Seite mit dem Bundeschef ins Bild rücken.

No na. Hier wie dort.

Windverhältnisse

Eine ganz ähnliche Konstellation ergibt sich bei den zwei kleineren Parteien. Die Grünen mit Steuerfrau Regina Petrik und Vorschoter Wolfgang Spitzmüller drehen ihr Boot nun sehr gerne in den kräftig achterlichen Wind des Werner Kogler. Und der steirischen Listenführerin Sandra Krautwaschl natürlich. Petrik: "Das ist für uns ein neuer Rückenwind."

Johann Tschürtz und seine pannonischen Blauen müssen dagegen aufkreuzen gegen das Ungunstlüfterl aus dem Bund, von dem noch dazu immer noch nicht klar ist, ob sich daraus nicht ein ausgewachsener Sturm entwickeln könnte.

G'mahte Wies'n

Tut es das nicht, haben die Blauen vor sich die g'mahte Wies'n einer zweiten Legislaturperiode mit Regierungsbeteiligung. Rot-Blau hat ohne grobe Fisimatenten fünf Jahre lang funktioniert. Man hat die Machtverhältnisse – SPÖ 42 Prozent zu FPÖ 15 Prozent – akzeptiert und respektiert. Der Lohn dieser Bravheit war das Ergebnis der SP-Mitgliederbefragung. 49 Prozent sprachen sich für eine Fortsetzung von Rot-Blau aus.

Nur 19 Prozent wollten zurück ins ganz Alte. Bis 2015 waren Rot und Schwarz ja durch den Proporz aneinandergekettet. Überraschend aber: 40 Prozent der SPÖ-Mitglieder könnten sich gut auch eine rot-grüne Landesregierung vorstellen.

Bequemer Partner

Das scheint freilich unwahrscheinlich. Zwar deutet viel – wenn nicht alles – darauf hin, dass die Grünen (derzeit 6,4 Prozent) zulegen werden. Landeschefin Petrik geht von einem dritten Mandat beinahe aus. Und viel – wenn nicht alles – deutet auf einen Zugewinn der Liste Doskozil hin, sodass sich – knapp – eine formale Landtagsmehrheit ergeben könnte. Aber, so Petrik, "die FPÖ ist der bequemere Partner für die SPÖ".

Das rote Geschäftsführerduo Fürst/Dax gibt als Wahlziel "ein Plus" aus. Aber alles andere als ein "ordentliches Plus" wäre eine Enttäuschung. 2015 hat die SPÖ ja 6,3 Prozentpunkte und drei Mandate verloren. Von Doskozil und seiner Liste erwartet sich die SPÖ eine Rückholaktion. Dass sich also der Stimmlädierte das Sakko auszieht, die Ärmel hochkrempelt.

Michael Ludwig, der nach Doskozil in den Wiener Wahlkampf wird einsteigen müssen, hat in Raiding schon den Schlachtruf geübt: "Dosko, Dosko, Dosko!"

Es klang wie "Tuinatui!".

Don Camillo

Wer in Raiding dreimal umfällt – in die richtige, die hier jetzt anempfohlene Richtung –, gelangt über Veliki Borištof und Mali Borištof nach Mjenovo. Nach Kroatisch Minihof also. Hier, wo die Hianzerei und die Krowodei so befruchtend sich ineinanderschmiegen, ist nicht nur Norbert Darabos – der als Wahlkampfmanager der SPÖ 2013 die Nationalratswahl gewonnen hat – Obmann des Fußballvereins.

Hier spielen nämlich auch die wunderbaren und wundersamen, lächelnlassenden und poesieprallen Geschichten, die Michaela Frühstück in diesen wunderlichen Landstrich gezaubert hat. Ihr erster Mjenovo-Roman heißt Teta Jelka überfährt ein Hendl. Nun, in Missis Karlovits überfährt den Po, macht sich die örtliche Theatergruppe auf in das "130 Grammelpogatschen entfernte Brescello", wo einst Don Camillo und Peppone ihr Wesen getrieben haben, das sich zuweilen ansatzweise im hiesigen widerspiegelt.

Weihnachten und seine Wahlkampfruhe ist schneller da, als die meisten glauben. Da hilft vielleicht sogar ein ressortunzuständiger Hinweis durch jene feinen Tage, in denen ein rätselhaftes Lese- oder Schenkbedürfnis wächst. Nun denn: Tuitsnatuits! (Wolfgang Weisgram, 25.11.2019)