Die Resolution der ORF-1-Information im Wortlaut:
"Die Redakteurinnen und Redakteure der ORF-1-lnformation sind schockiert über die Vorgehensweise, wie dem steilvertretende Chefredakteur Thomas Faustmann aus für viele nicht nachvollziehbaren Gründen eine Job Rotation nahegelegt wurde, was von vielen in Anbetracht der aktuellen Situation als Versetzung wahrgenommen wird. Faustmann hat in einem Hearing um den Chefredakteursposten von den Redakteurinnen und Redakteuren die mit Abstand meisten Stimmen erhalten, bis heute ist das Vertrauen innerhalb der Redaktion in ihn ungebrochen. Diese Versetzung veranlasst die ORF-1-Redaktion, auf mehrere Missstände aufmerksam zu machen.
Ausgangstage und Feedback
Die ORF-1-lnformation galt über Jahre als Vorzelge-Redaktion innerhalb des ORF: Gestalterische Innovationen im Bereich Grafik, Kamera, Schnitt haben neue Standards gesetzt und haben sich schnell auch In anderen Bereichen des Hauses durchgesetzt. Der journalistische Anspruch wurde stets hochgehalten, neue Erzählformen entwickelt und zahlreiche Aufsehen erregende Projekte umgesetzt. Die ORF 1-lnfo-Redaktion hat sich durch flache Hierarchien und ein offenes Klima ausgezeichnet, was Kreativität und Mut in der redaktionellen Arbeit ermöglicht und gefördert hat.
Mittlerweile sehen die ORF-1-lnforedakteurinnen und -redakteure all das in Gefahr: Inhaltliche Auseinandersetzung mit den Sendungsinhalten findet zu wenig statt. Bei vielen entsteht der Eindruck, dass Kritik als Illoyalität ausgelegt wird. Kritische Redakteurinnen und Redakteure werden zu persönlichen Gesprächen eingeladen. Es gibt keine Debattenkultur mehr in der Hauptredaktionssitzung: Redakteurinnen und Redakteure fühlen sich von journalistischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen und haben den Eindruck, dass einige wenige Führungskräfte darüber entscheiden, was und wie berichtet wird, was sowohl dem Redakteursstatut wie auch den gesetzlich vorgegebenen Verpflichtungen, die der ORF gegenüber seinem Publikum hat, widerspricht.
Mit Anfang Dezember wird die Hauptinformationssendung von ORF 1 (Magazin 1) um zwei Drittel (!) gekürzt und in ein Unterhaltungsformat umgewandelt. Laut ersten Planungsvorgaben soll es in dieser Sendung keine Nachrichten-Themen mehr geben, Expertinnen und Experten sollen nicht mehr live im Studio zu Wort kommen, und als wichtige Kriterien gelten stattdessen der Prominenz-Faktor und der Unterhaltungswert der Sendungsinhalte. ORF 1-lnforedakteurinnen und -redakteure, die allesamt Nachrichten-Journalistinnen und -journalisten sind, sollen somit in Zukunft ein Unterhaltungsformat befüllen. Das derzeit zusätzlich geplante wöchentliche News-Magazin wird die Kürzung der Infoflächen auf ORF 1 nicht kompensieren können.
Die Redakteurinnen und Redakteure der ORF 1-lnfo fordern die Rücknahme der Kürzungen im Info- Bereich und kritisieren, dass Informationssendungen, beispielsweise zur Wahlberichterstattung, ("Mein Wahlometer") an Produktionsfirmen ausgelagert wurden.
Bei den verbleibenden Nachrichtensendungen auf ORF 1 (ZIB18, ZIB 20, ZIB Nacht, ZIB Flash) handelt es sich nur mehr um Kurz-Formate, in denen dem Publikum kein umfassender und einordnender Informationsmehrwert mehr geboten werden kann. Journalistisch sorgfältige Recherche wird dadurch erschwert, Beiträge wiederholt und auf aktuelle Ereignisse kann nur mehr mit größter Anstrengung reagiert werden.
Die ZIB-Redakteurinnen und -Redakteure auf ORF 1 kämpfen täglich dagegen an, zu reinen Content- Verwalterinnen und -Verwaltern zu werden. Wenn auf diese Missstände aufmerksam gemacht wird, verlangen Führungskräfte von Redakteurinnen und Redakteuren, Abstriche bei der Qualität ihrer Arbeit zu machen. So wird dazu aufgefordert die "Ansprüche herunter zu schrauben" und das Publikum nicht mit "komplexen" Inhalten zu überfordem.In der Redakteurlnnen-Versammlung am 28.11.2019 hat ORF 1-Chefredakteur Wolfgang Geier zugesagt, Missstände zu beseitigen, trotzdem wollen die Redakteurinnen und Redakteure ihre Forderungen zusammenfassen und konkretisieren.
Forderungen
Die Redakteurinnen und Redakteure der ORF-1-lnforedaktion sehen die journalistische Freiheit und Qualität der Infosendungen in Gefahr und fordern Generaldirektor Alexander Wrabetz, ORF 1- Channelmanagerin Lisa Totzauer und ORF 1-Chefredakteur Wolfgang Geier auf, rasch zu handeln und die angeführten Missstände umgehend zu beseitigen.
Die Redakteurinnen und Redakteure der ORF-1-lnformation fordern die Rückkehr zu einer gelebten und offenen Diskussions- und Debattenkultur hinsichtlich der inhaltlichen und gestalterischen Ausrichtung der Berichterstattung. Feedback und Kritik sollte in Zukunft nicht mehr persönlich genommen oder als feindschaftlicher bzw. illoyaler Akt interpretiert, sondern als konstruktive Mitarbeit gesehen werden, die dazu beiträgt, die Produkte der ORF 1-lnformation zu verbessern.
Die verantwortlichen Führungskräfte werden dazu aufgefordert, neue Sendungskonzepte in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit der Redaktion zu erarbeiten und Kernaufgaben von Nachrichtenredaktionen, wie Formate im Rahmen von Wahlberichterstattung, nicht mehr auszulagern.
Die ORF-1-lnforedakteurinnen und -redakteure protestieren gegen die als Versetzung empfundene Job-Rotation des stellvertretenden Chefredakteurs Thomas Faustmann, der seit Gründung derRedaktion in alle Bereiche involviert war und zahlreiche innovative Projekte begleitet hat. Angesichts der bevorstehenden Umstrukturierungen wird befürchtet, dass sich sein Weggang negativ auf die Qualität der Sendungen auswirken könnte.
Die Redakteurinnen und Redakteure der ORF-1-lnformation sehen sich als motivierte, kompetente, aber auch kritische Partner und Partnerinnen In sämtlichen Innovationsprozessen, sofern sie den öffentlich-rechtlichen Ansprüchen des ORF und des Publikums genügen. Die Redakteurinnen und Redakteure erwarten, dass das Management Maßnahmen ergreift, um das bei vielen Kolleginnen und Kollegen in den letzten Monaten zerstörte Vertrauen zurück zu gewinnen."