Die richtige Kragenweite ist wichtig bei Maßhemden.
Foto: Senszio

Die Frage "Was soll ich bloß anziehen?" bezieht sich in der kalten Jahreszeit nicht zwangsläufig auf Wollsocken, Thermounterwäsche und Sturmhaube. Winter bedeutet auch Ballsaison. Die Tanzveranstaltungen sind eine der letzten Bastionen formaler Kleidung und vergleichsweise strenger Dresscodes.

Wann Männer gut angezogen sind und was sie bei Anzug und Hemd beachten sollten, erklärt Prashant Motwani, Chief Development Officer bei Senszio und Sohn des Gründers dieses belgischen Bekleidungsunternehmens, das mittels reisenden Schneidern Maßanfertigungen anbietet.

Prashant Motwani von Senszio.
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STANDARD: Wann ist ein Mann gut angezogen?

Motwani: Dazu braucht es nicht immer ein Hemd oder eine Wollhose. Ein Sakko komplettiert einen Look sehr gut – solange das Sakko gut sitzt natürlich. Menschen bemerken Maßkleidung vielleicht nicht, bloß dass sie gut sitzt. Und wenn das Outfit farblich abgestimmt ist: perfekt. Zum Anzug muss man nicht immer feine Halbschuhe zum Schnüren tragen. Auch legerere Modelle wie Loafers passen gut. Eine Uhr komplettiert den Look. Sie muss nicht teuer sein. Wichtig ist, dass Ihr Stil zur Persönlichkeit des Trägers passt. Ich mag es auch, wenn Männer Armbänder tragen. Sie passen zu einer gut geschnittenen Manschette optimal. Aber natürlich nicht irgendwelche Festivalbändchen aus den letzten zehn Jahren, sondern hochwertige Armbänder aus Leder oder Metall.

STANDARD: Wie beeinflusst die Körperform den Schnitt?

Motwani: Körperformen sind ein wichtiger Faktor beim Styling. Kunden mit schmalem Gesicht sollten kein Hemd mit zu schmaler Kragenweite tragen. Das würde das Gesicht noch schmaler wirken lassen. Bei runden Gesichtern verhält es sich gegengleich. Korpulenten Kunden würden wir niemals aufgesetzte Taschen am Sakko oder schwere Stoffe empfehlen. Das trägt auf. Zu enge Schnitte würde ich auch nicht empfehlen.

STANDARD: Beobachten Sie kulturelle Unterschiede in Sachen Maßkleidung?

Motwani: Der internationale Stil ist sehr konservativ und risikoarm. In den USA oder Asien schätzt man klassische Schnitte. In Hongkong und China sind aufgrund der kolonialen Vergangenheit britische Stileinflüsse zu bemerken. Japan würde ich als äußerst modisches Land bezeichnen, vor allem bei Farben und Krawattenstoffen. Japaner sind die bestangezogenen Männer bei fast jedem Modeevent, im Vergleich zum Rest Asiens, der eher konservativ geprägt ist. In Europa sind Slim-Fit- und moderne Schnitte sehr beliebt. Skinny Looks sind oft nicht sehr schmeichelhaft und können aggressiv wirken. Auf Instagram sieht man oft Models, deren Sakkos an der Brust oder an den Armen fast platzen. Slim Fit im Sinne von engen und etwas kürzeren Hosenbeinen würde ich Bankern oder Anwälten nicht empfehlen. Vor allem nicht, wenn sie international agieren.

STANDARD: Gibt es weitere berufsspezifische Unterschiede?

Motwani: Das Angebot am Markt ist in allen Preissegmenten gestiegen. Früher trugen vor allem Manager Maßanzüge. Das hat sich jetzt auf andere Ebenen ausgedehnt. Im internationalen Finanz- und Rechtskontext haben die meisten Angestellten einen Schneider ihres Vertrauens. Auch im Kreativbereich werden Maßanfertigungen geschätzt. Hier sind modernere Silhouetten gängig.

STANDARD: Sind Männer modisch zu wenig wagemutig?

Motwani: Wir haben auch auffälligere Stoffe in unserer Range, aber die entsprechen nicht meinem persönlichen Geschmack. Ich mag's eher subtil. Aber wichtig ist, was zu der jeweiligen Person passt. Man muss nicht immer mit der Farbe experimentieren. Auch durch Materialen kann man Effekte erreichen. Viele Kunden haben zum Beispiel Vorbehalte gegenüber Leinen, weil es knittert. Aber genau das finde ich schön. Leinen verleiht dem Träger einen Casual Look. Viele Kunden mögen Stoffe, die sie das ganze Jahr anziehen können. Dabei gäbe es wunderschöne Herbst-Winter-Stoffe, Flanelle oder Cord. Aber Kunden wollen die Stücke das ganze Jahr lang tragen können. (Michael Steingruber, 20.1.2020)