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Ob Greta Thunberg am Boden eines deutschen ICE vielleicht doch mal kurz und voller Sehnsucht an Ryanair, Easyjet oder eine andere Billig-Airline gedacht hat? Ein Sitzplatz wäre dort fix.

Der Weg nach Hause kann sehr lang sein. Grundsätzlich und erst recht, falls man mit der Deutschen Bahn reist. Überfüllte Züge, defekte WCs – wenn WLAN und Stromversorgung für den Laptop gleichzeitig funktionieren, dann ist das für viele ein Glückstag.

Aber das nimmt man gern auf sich, wenn’s dem Klimaschutz dient. Das dachte sich auch Greta Thunberg. Reisen per Flugzeug lehnt die schwedische Klimaaktivistin ja ab, sie überquerte den Atlantik per Boot. Und nach der Klimakonferenz in Spanien wollte sie heim nach Schweden.

Doch dazwischen liegt am Landweg bekanntlich die deutsche Gründlichkeit. Als Thunberg ein Foto twitterte, das sie im ICE am Boden sitzend zeigte, reagierte der staatseigene Konzern zunächst zerknirscht. Er wünschte gute Heimfahrt und versprach, "weiter hart" an mehr Zügen, Verbindungen und Sitzplätzen zu arbeiten.

Hektische Betriebsamkeit

Danach muss es bahnintern jene hektische Betriebsamkeit gegeben haben, die sich Kunden oft im Tagesgeschäft wünschen; bald schob die Bahn einen besserwisserischen Tweet nach. Es wäre doch schön gewesen, wenn Greta auch von ihrem Sitzplatz in der ersten Klasse und der kompetenten Betreuung berichtet hätte.

Es klang wie: "Ätschi-bätschi, beim Schummeln erwischt!" Doch Thunberg widersprach: In Basel sei ihr Zug ausgefallen, also musste sie in zwei Zügen erst mal auf dem Boden sitzen. Aber: "No problem." Im Gegenteil: Überfüllte Züge seien "ein großartiges Zeichen, weil es bedeutet, dass die Nachfrage nach Bahnreisen groß ist". Und ab Göttingen gen Norden gab es dann ja einen First-Class-Sitzplatz.

Auch die Gewichtung der Klimapolitik in den Medien wurde auf Twitter thematisiert.

Viele jedoch fanden das Ganze weniger großartig, über die Bahn ergoss sich ein Shitstorm mit zweierlei Tenor: Besser als am Beispiel Thunberg lasse sich die Misere der Bahn gar nicht darstellen. Viele fragten auch, ob die Bahn schon mal was von Datenschutz gehört habe. So twitterte jemand, er fahre am 23. 12. mit dem ICE und hoffe jetzt schon auf eine namentliche Erwähnung durch die Deutsche Bahn.

"Selbstinszenierung"

Doch #GretaGate, wie die Affäre im Netz genannt wird, hat natürlich noch eine zweite Seite, auch Thunberg bekommt ihr Fett ab. So erklärt der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Thomas Bareiß (CDU): "Heilige und Scheinheilige liegen oft ganz nah beieinander." Die deutsche Familienministerin Franziska Giffey zollt Thunberg zwar grundsätzlich Respekt, meinte aber auch, es handle sich um "Selbstinszenierung", und das koste "schon ein paar Glaubwürdigkeitspunkte". (Birgit Baumann aus Berlin, 16.12.2019)