Fritz Teufel mit Fahrradbrille in einer deutschen TV-Sendung im Jahr 1989.

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"Vielleicht wäre auch alles ganz anders gekommen, wenn Teufel sein Fahrrad nicht vergessen hätte, als er im lauen Mai 1963 aus dem schwäbischen Provinzstädtchen Ludwigsburg nach Berlin kommt", schrieb die "Taz" vor fast zehn Jahren in ihrem Nachruf auf Fritz Teufel. Als Ikone der 68er-Bewegung und Mitbegründer der Kommune I wurde er vor allem durch seine Auftritte vor Gericht bekannt, wo er dem ihm so verhassten System mit bissigem Humor den Spiegel vorhielt. Und es dadurch immer wieder in Verlegenheit brachte – oder gar in die Knie zwang.

Der teuflische Humor: Fritz Teufel beschießt Bundesminister Hans Matthöfer am 19. Februar 1986 in einer TV-Sendung mit Zaubertinte. Der Politiker reagiert unsouverän, Teufel stellt ihn mit Witz bloß.
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So wie am 29. November 1967. Teufel stand in Berlin vor Gericht, es ging um jene Demonstration gegen den Schah-Besuch, bei der ein Polizist den Studenten Benno Ohnesorg erschossen hatte. Während der Beamte freigesprochen wurde, musste sich Teufel als mutmaßlicher Steinewerfer verantworten. Als der Richter am zweiten Verhandlungstag den Saal betritt, bleibt Teufel als Einziger – Zeitung lesend – sitzen. Als er aufgefordert wird, sich zu erheben, tut er dies widerwillig und murmelt dabei: "Na ja, wenn's der Wahrheitsfindung dient." Die "Tagesschau" zeigte die Szene im Hauptabendprogramm und machte Teufel damit berühmt.

Sein größter Coup gegen die Justiz

Immer wieder saß der Aktivist in dieser Zeit im Gefängnis oder vor Gericht. Seine letzte, lange Gefängnisstrafe verbüßte er von 1975 bis 1980. Man beschuldigte ihn, als Mitglied der Bewegung 2. Juni an der Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz mitgewirkt zu haben. Erst ganz am Ende seines Prozesses im Jahr 1980, nachdem sein Verteidiger bereits das Plädoyer gehalten hatte, legte Teufel den Beweis für seine Unschuld vor.

Fünf Jahre lang saß er im Gefängnis, um zu zeigen, dass es der Justiz nicht um Gerechtigkeit, sondern um Vorverurteilung geht. Sein "B-libi", wie Teufel den Beweis seiner Unschuld anstelle von Alibi nannte, trug er schließlich mit einem bunten Zauberhut am Kopf vor – Teufel liebte es, sich vor Gericht extravagant zu kleiden. "Damit die Springer-Presse nicht lügen muss, wenn sie wieder behauptet, ich habe ein Alibi aus dem Hut gezaubert", erklärte er dem verblüfften Publikum im Saal. Am 13. Oktober 1980 wurde er wegen illegalen Waffenbesitzes und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu fünf Jahren Haft verurteilt und verließ das Gericht als freier Mann. Er hatte die Justiz ein letztes Mal gedemütigt.

Radelnder Revoluzzer

Denn fortan übte er seine Systemkritik nur mehr in schriftlicher Form aus. Und er widmete sich wieder seiner zweiten großen Leidenschaft neben der Revolte: dem Radfahren. Die Liebe dazu entdeckte er als Kind in Ludwigsburg. Teufel war mit dem geborgten Fahrrad seiner Tante unterwegs, als er in einen Unfall mit einem Lkw verwickelt wurde, der ihm die Vorfahrt genommen hatte. Die Versicherung ersetzte dem Buben das kaputte Fahrrad. Mit seinem ersten eigenen und brandneuen Radl erledigte er Botendienste für seinen Vater, der Steuerberater war, und entdeckte dabei seine Passion fürs Pedalieren.

In den 1980ern, nach seiner Freilassung, lässt Teufel "die ganze Scheiße hinter sich" und knüpft an diese Kindheitserinnerungen an. Draußen habe schon das Fahrrad auf ihn gewartet, sagt er später. Zuerst radelt er nach London, wo er eine Zeitlang als Bäcker arbeitet. Später, zurück in Berlin, wird er Fahrradkurier. Nebenbei ist Teufel Kolumnist bei der "Taz". Er hält seine Liebe zum Radfahren in zahlreichen Texten fest. So schreibt er etwa: "Wer viel Geld hat und wenig Zeit, der fährt mit dem Auto und tut mir Leid. Wer viel Zeit hat und nicht zu viel Geld, der fährt mit dem Fahrrad, ist ein Held."

Radreisen als neue Leidenschaft

Teufel ist selbstredend auch als Radler politisch. So fordert er eine "allgemeine Höchstgeschwindigkeit von 25 Stundenkilometern, ausgenommen Stadtautobahnen und wenige Hauptverkehrsadern". Und er entdeckt lange Radreisen für sich, fährt etwa durch halb Europa, um bei der Wein- oder Olivenernte mitzuhelfen. Viele dieser Touren hält er in Form von kurzweiligen Reiseberichten gespickt mit typisch teuflischen Wortspielen fest.

Eines von Teufels Rädern aus dieser Zeit, mit dem er Touren nach Finnland und Schweden unternommen hat, steht heute im Deutschen Historischen Museum. Es ist ein klassisches schwarzes Herrenrad der Traditionsmarke Baronia, die von 1921 bis 1973 in Bielefeld, Einbeck und Rahden Zweiräder produzierte. Einzig ein vergilbter "Atomkraft, nein danke!"-Sticker lässt noch Rückschlüsse auf den einstigen Besitzer zu. Ansonsten sieht das Rad eher bieder aus, hat deutliche Gebrauchsspuren und sogar einen Drahtkorb am Gepäckträger. Dass Teufel damit derart lange Touren unternommen hat, zeigt, was für ein passionierter Fahrer er gewesen sein muss.

Das Radeln war für den "humoristischen Schriftsteller" zum Lebensmittelpunkt geworden. Einmal fuhr er sogar mit seinem Hollandrad von Berlin nach Köln, um dort eine Lesung abzuhalten. Er war eine Woche lang unterwegs. 1992 stieg er als Gesellschafter in den Berliner Kurierdiest Moskitos ein. Er erstrampelte sich alsbald den Ruf, einer der "besten und zähsten", aber nicht unbedingt schnellsten Fahrer im Team zu sein. Über diese Arbeit sagte er 2001 anlässlich einer Preisverleihung für sein früheres politisches Wirken in Berlin in typisch teuflischer Manier: "Danke! Als Fahrradkurier in dieser autoverseuchten Stadt – ich finde, das hat auch was mit Zivilcourage zu tun."

Parkinson als letzter Gegner

Am Ende seines Lebens erkrankte Teufel an Parkinson. Acht Jahre lang lebte er mit der heimtückischen Krankheit und machte sich über sie lustig. Bis zum Schluss fuhr er Fahrrad. Seine Liebe zu dieser "zutiefst menschlichen Art der Fortbewegung" beschrieb er in einem Interview so: "Es muss damit zusammenhängen, dass der große Leonardo da Vinci das Teil erfunden hat. Und es ist diese Mühelosigkeit und Leichtigkeit, mit der man sich fortbewegt. Stellen Sie sich einen Frühlingsmorgen vor auf der schottischen Insel Sky in den westlichen Hebriden. Sie fahren eine wunderschöne Straße entlang, es blüht und summt und duftet. Ein paar Mädchen stehen am Straßenrand …"

Am 6. Juli 2010 starb Fritz Teufel, von der schweren Krankheit gezeichnet, im Alter von 67 Jahren in Berlin. Und wie es sich gehört, wurde er mit einem letzten Scherz verabschiedet. So wurde seine Urne im August 2010 als gestohlen gemeldet. Die Polizei vermutete sofort eine politisch motivierte Grabschändung. Wenige Tage später tauchte sie jedoch wieder auf, am Grab vom Rudi Dutschke, der auf einem anderen Berliner Friedhof liegt. Bei der Urne wurde ein Zettel gefunden: "Was ein teuflischer Spaß, Rudi Dutschke hätte das gefallen." (Steffen Arora, 18.12.2019)