Im vergangenen Jahr wurde erstmals eine Verfassungsänderung im Bundesrat blockiert. Welche Rechte hat die zweite Kammer im Parlament?

Foto: Matthias Cremer

Frage: Was ist der Bundesrat?

Antwort: Der Bundesrat ist neben dem Nationalrat die zweite Kammer im Parlament. Er verfügt über Kontrollrechte und ein Einspruchsrecht gegen Gesetzesvorhaben. Bei Gesetzen, die im Nationalrat mit einfacher Mehrheit beschlossen werden, handelt es sich dabei um ein aufschiebendes Vetorecht. Das heißt, die Materie wird zurück an den Nationalrat geschickt, kann dort aber erneut von einer einfachen Mehrheit mit einem "Beharrungsbeschluss" verabschiedet werden. Der Gesetzgebungsprozess wird damit lediglich verzögert.

Frage: Kann der Bundesrat auch Gesetze verhindern?

Antwort: In einige Fällen hat der Bundesrat ein absolutes Vetorecht, etwa bei Verfassungsänderungen oder Staatsverträgen, die in den Wirkungsbereich der Länder oder in vertragliche Grundlagen der EU eingreifen. Solche Verfassungsgesetze müssen wie im Nationalrat auch im Bundesrat mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Dass Verfassungsänderungen im Bundesrat verhindert wurden, ist erst zweimal passiert, und zwar beide Male im vergangenen Jahr: Die SPÖ konnte dank ihrer Sperrminorität, eines Drittels der Bundesräte, gegen die Ökostromnovelle und die Schuldenbremse im Verfassungsrang stimmen. Die beiden Anträge waren zuvor mit einer Zweidrittelmehrheit aus ÖVP, FPÖ und Neos im Nationalrat beschlossen worden.

Frage: Wie kann der Bundesrat noch in die Gesetzgebung eingreifen?

Antwort: Ein Drittel der Mitglieder des Bundesrats ist dazu berechtigt, den Verfassungsgerichtshof (VfGH) anzurufen und so Gesetze anzufechten. Eine Reihe von Gesetzen der türkis-blauen Regierung, beispielsweise der Bundestrojaner, die Kfz-Kennzeichnung und Teile des neuen Sozialhilfegesetzes, wurde so Ende 2019 gekippt – die SPÖ-Fraktion im Bundesrat hatte die Anträge zur Gesetzesprüfung eingebracht. Bundesräte können außerdem schriftliche und dringliche Anfragen an die Bundesregierung stellen.

Frage: Wie setzt sich der Bundesrat zusammen?

Antwort: Die Mitglieder des Bundesrats werden nach jeder Landtagswahl von den jeweiligen Landtagen entsandt. Die Aufteilung der Mandate ändert sich also unabhängig von der jeweiligen Gesetzgebungsperiode im Bund und unterscheidet sich von der des Nationalrats. Alle neun Bundesländer sind – abgestuft nach Bevölkerungsstärke – mit zumindest drei Mandaten vertreten, insgesamt sind es derzeit 61. Nach der jüngsten Landtagswahl in der Steiermark hat die ÖVP 23 Mandate, die SPÖ 20, die FPÖ 14, und die Grünen verfügen über vier Mandate. Seither fehlt der SPÖ eine Stimme auf die erforderlichen 21 für die Sperrminorität bei Verfassungsgesetzen sowie die Möglichkeit, den VfGH anzurufen. Die Neos haben keinen Sitz im Bundesrat.

Frage: Hat die türkis-grüne Regierung eine Mehrheit im Bundesrat?

Antwort: Die türkisen und grünen Bundesräte haben gemeinsam 27 der insgesamt 61 Stimmen, verfügen also – anders als im Nationalrat – über keine Mehrheit. Eine Regierung ohne Mehrheit im Bundesrat war bisher erst zweimal der Fall: Zwischen 1983 und 1986 unter der SPÖ-FPÖ-Regierung und zwischen 2005 und 2007 unter der ÖVP-BZÖ-Koalition.

Frage: Behindert die fehlende Mehrheit im Bundesrat die Arbeit der neuen Regierung?

Antwort: In der Praxis wird das kaum der Fall sein, sagt Werner Zögernitz, der Präsident des Instituts für Parlamentarismus. Aufschiebende Einsprüche einer Mehrheit aus SPÖ- und FPÖ-Bundesräten seien zwar möglich, doch das betreffende Gesetz könne zwei Monate später erneut im Nationalrat beschlossen werden. Für Verfassungsänderungen brauche Türkis-Grün schon im Nationalrat entweder die SPÖ oder die FPÖ für die erforderliche Zweidrittelmehrheit. "Und es ist davon auszugehen, dass der jeweilige Mehrheitsbeschaffer dann auch im Bundesrat zustimmt, wenn das Gesetz den Nationalrat passiert hat." Die Neos allein haben zu wenige Mandate, um Türkis-Grün zu einer Zweidrittelmehrheit zu verhelfen. Auch für das Anfechten türkis-grüner Gesetze vor dem VfGH müssten sich SPÖ und FPÖ künftig zusammentun, da keiner von beiden allein das notwendige Drittel der Mandate stellt. (Davina Brunnbauer, 14.1.2020)