Das neue Jahr hat, so scheint es, vielen von uns das Herz geöffnet. Sei es, weil die winterlichen Temperaturen mehr und mehr sizilianische sind. Sei es, weil das Leben kompliziert ist. So ungefähr erkläre ich mir ein neues Phänomen: Zwei Frauen in meinem Bekanntenkreis schwärmen seit vergangener Woche von ihrer Romanze mit einem Taxifahrer. Da spricht man nicht mehr von Zufall. Da ahnt man den Trend.

So einer bringt einen wieder auf Spur.
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Stop & Go

"Es war wunderbar. Wir hielten die ganze Fahrt bis zum Flughafen Händchen", beschreibt Tante Dora (flotte 75) ihr neues Allheilmittel. Und Freundin N, noch um Jahrzehnte jünger, gesteht: "Der freie Parkplatz vor meiner Haustür war ein gutes Omen. Zuerst unterhielten wir uns ewig in seinem Wagen. Dann nahm ich ihn mit hinauf."

Bei so viel guten Vibes posaunt das Navi: Sie haben Ihr Ziel erreicht! Ja, wozu all das Yoga und den vielen Detox-Tee? Der Taxifahrer ist der Mitmensch der Stunde. Der Frauen- und Männerversteher, den eine Welt voller Trumps und Kickls so dringend braucht: Tausende Kilometer rote Ampeln und Stau, tausende Kilometer mit Personen aller Bewusstseinsklassen auf engstem Raum – das macht einen zum Experten für seelische Schieflagen aller Art. Das macht einen zum Meister der Poesie des Augenblicks, zu einem, der im richtigen Moment signalisiert: "Du und ich, im Hier und Jetzt. Alles andere zählt nicht." – Kein Achtsamkeitstraining könnte einem das besser vermitteln.

Neoliberales Liebesprofil

Tatsächlich passt der Taxifahrer perfekt in unser neoliberales Liebesprofil: Auf der einen Seite der gefühlsverwirrte Fahrgast, der bis heute nicht weiß, was er eigentlich will, und das "best offer" des Augenblicks zu schätzen weiß. Auf der anderen Seite der flexible Fahrer hinter dem Steuer, der sein Geschäftsfeld ausdehnt.

Hier ist einer, der zuhören kann. Einer, der im richtigen Moment mit zärtlichem Blick signalisiert: Das Leben ist schön, trotz allem. So einer bringt einen wieder auf Spur. Nicht umsonst hauchte Vanessa Paradis in den frühen 1980er-Jahren "Joe, le Taxi". Und einige von uns erinnern sich an Taxi, den tollen biografischen Roman der deutschen Autorin Karen Duve.

Ökoaktivisten aufgepasst: Auf dem Sattel eines Fahrrades kann einem so etwas nicht passieren. Dieser Walker ist ein Driver. Ab sofort heißt es: Ihr Wagen kommt in drei Minuten. Alles wird gut. (Ela Angerer, RONDO, 23.1.2020)