"Gottfried der Wehrbauer" präsentiert sich auf Facebook als Landwirt, der auch Politiker ist. Dabei hat er jahrelang angegeben, keinen Job zu haben – und so 460.000 Euro mehr verdient.

Foto: screenshot facebook / waldhäusl

Gottfried Waldhäusl geht bei jedem Wind und Wetter raus, steht seinen Mann, hält durch, auch wenn die Ernte schlecht ist. Als Waldviertler Bauer ist er widrige Umstände gewöhnt. Der Landwirt steigt in den Traktor, füttert seine Hirsche, hackt Holz. Das alles erzählt der niederösterreichische FPÖ-Landesrat in einem Video, das er selbst auf Facebook gestellt hat. Bauer sein, sagt er, das ist nicht irgendein Job.

Das Video mit dem Titel "Gottfried der Wehrbauer" hat einen Schönheitsfehler: Waldhäusl darf als Landesrat gar keinen Job haben. Und während seiner zehnjährigen Amtszeit als Klubobmann der Freiheitlichen im Landtag hat er angegeben, ausschließlich Berufspolitiker zu sein. Damit stand ihm auch eine höhere Gage zu: rund 12.200 Euro brutto. Klubobleute mit Nebenjob verdienen nur 8.800 Euro. Insgesamt verdiente Waldhäusl in seiner Zeit als Klubobmann fast eine halbe Million Euro brutto mehr, als es ein Klubchef mit Nebenjob getan hätte.

Waldhäusl hat noch vor seiner Politikerkarriere den elterlichen Hof in Kleingöpfritz bei Waidhofen an der Thaya übernommen und ihn bewirtschaftet – bis er im Jahr 2008 blauer Klubchef im Landtag wurde. Da übergab er die Firma einem Consultingunternehmen: Er sei "aus dem operativen Geschäft ausgestiegen", erklärte der freiheitliche Politiker dem STANDARD 2018, als die "Waldhäusl nunmehr GmbH und Co KG" Fragen aufwarf.

Teure Hirsche im Gehege

Doch ein Auszug aus dem Register der wirtschaftlichen Eigentümer, der dem STANDARD und dem "Profil" vorliegt, zeigt: Die Firma gehörte Waldhäusl zu diesem Zeitpunkt zu 100 Prozent. Das Register wurde 2018 zur Prävention von Geldwäsche und Korruption eingeführt, damit sich die Eigentümer einer Firma nicht hinter Strohmännern verstecken können.

Auszug aus dem Register der wirtschaftlichen Eigentümer.
Foto: faksimile

Damit stellt sich die Frage: War Waldhäusl neben seinem Job als Klubobmann tatsächlich nie beruflich tätig? In einer anonymen Anzeige wird dem Politiker vorgeworfen, zusätzliche Einnahmen zu erzielen: aus der Landwirtschaft, dem Verkauf von Wildbret und dem Betrieb des Gasthauses Goldener Hirsch in Waidhofen an der Thaya. Eine Recherche von STANDARD und "Profil" hat weitere Indizien hervorgebracht, die darauf hindeuten, dass der freiheitliche Politiker zumindest zeitweise als Bauer und Wirt tätig war.

4.000 Euro schaden. Privat? Beruflich?

Schon kurz nach seinem Antritt als Klubobmann 2008 hatte die ÖVP Waldhäusl vorgeworfen, die hohe Gage zu Unrecht zu beziehen und nebenbei einem Beruf nachzugehen. Der Klubchef wies das empört zurück, er habe die Landwirtschaft längst abgegeben.

"Gottfried Waldhäusl konnte sich nur zwei Tage über sein Damwild freuen", titelten die "Niederösterreichischen Nachrichten" ("NÖN") 2014. Waldhäusls Wildgehege war aufgeschnitten worden, die gerade erst angeschafften Tiere entflohen. Der Berufspolitiker beklagt einen Schaden von 4.000 Euro. Privat? Beruflich?

Stolzer Facebook-Bauer

Ebenfalls 2014 sorgte ein Foto für regionale Aufregung, das Waldhäusls Dienstwagen mit einem Anhänger voller Baumstämme aus seinem Wald zeigt. Ein anderes Mal wendet sich der Politiker selbst an die "NÖN": In seiner Selchkammer sei ein Feuer ausgebrochen, 40 Kilogramm Fleisch verbrannt. Zum Glück sei nicht mehr passiert, sagt der Klubobmann ohne Nebenjob.

Auch auf Facebook berichtet Waldhäusl von seinen landwirtschaftlichen Erfolgen: "Der Speck ist fertig!" oder "Habe vorhin noch meine Hirsche gefüttert", schreibt er auf seiner öffentlichen Seite. 2018 postet er dann das eingangs erwähnte Video: "Als Bauer ist es für mich selbstverständlich: Nur wer Weitblick hat, kann gut wirtschaften."

Rechnung an die Firma, privat bezahlt

Und dann ist da noch die Sache mit dem Goldenen Hirschen. 2017, da war Waldhäusl noch Klubobmann ohne Nebenjob, wurde das Gasthaus auf dem Waidhofener Hauptplatz gekauft – von wem, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. Laut Grundbuch war es die Firma "Waldhäusl nunmehr", mit der der Politiker ja nichts zu tun haben wollte, obwohl sie ihm gehörte. In den "NÖN" war allerdings zu lesen, Waldhäusl selbst habe das Gasthaus gekauft, er posierte für ein Foto und erzählte der Zeitung von seinen Plänen dafür.

Nach dem Verkauf beschwert sich die frühere Besitzerin des Wirtshauses darüber, dass der Kaufpreis noch nicht überwiesen wurde. Wie "Profil" berichtete, antwortete nicht der Geschäftsführer des Consultingunternehmens, an den die E-Mail gerichtet war, sondern Waldhäusl selbst. Auch eine Rechnung an die "Waldhäusl nunmehr" wurde von Waldhäusl privat bezahlt.

DER STANDARD berichtete 2018 über das Firmengeflecht, danach ordnete Waldhäusl die Firma neu. Der Consulter trat seine Anteile und die Geschäftsführung an Waldhäusls Tochter ab.

Berufspolitiker hinterm Herd

Heute, als Landesrat, steht der Politiker oft selbst in der Küche: "Wenn es das anstrengende Politikerberufsleben zulässt, dann bekocht Gottfried die Gäste mit herzhafter Waldviertler Hausmannskost", steht auf der Website. Offiziell betreibt das Gasthaus seine Frau. "Ich hab schon lange von einem Wirtshaus geträumt", sagt der Politiker in einem weiteren Facebook-Video. "Mit dem Goldenen Hirschen ist es uns jetzt gelungen, nach Jahren, uns diesen Traum zu erfüllen."

Das Landesgesetz definiert den Begriff "Beruf mit Erwerbsabsicht" nicht näher – obwohl danach entschieden wird, wer 12.200 und wer 8.800 Euro verdient. Mehrere von STANDARD und "Profil" befragte Juristen sehen darin Spielraum für Interpretationen. Für Bernd Wieser, Experte für das Unvereinbarkeits- und Bezügegesetz an der Uni Graz, ist das "entscheidende Vokabel" nicht der Beruf, sondern die Ausübung: "Es kommt auf den Umfang, die zeitliche Kontinuität und die Art der Tätigkeit an."

Juristische Grauzone

Für Klubobmänner im Landtag herrscht kein allgemeines Berufsverbot: "Es geht um die Frage, ob die Ausübung einer Nebentätigkeit auf die Gewinnung zusätzlicher Einnahmen abzielt", sagt Wieser. Interessant sei also, wer vom Betrieb der Firma wirtschaftlich profitiert hat und wer die Entscheidungen zwischen 2008 und 2018 getroffen hat. Waldhäusl stand nicht als Eigentümer im Firmenbuch, war aber dank Strohmann verdeckter wirtschaftlicher Eigentümer. Der Jurist würde das Gesetz, das Waldhäusls Bezüge regelt, so auslegen, dass es "auf den wahren Eigentümer" ankommt, "nicht auf die Verschleierung".

Waldhäusl selbst will sich damit nicht mehr beschäftigen. Die Thematik seiner Firma sei "bereits mehrmals auf Herz und Nieren überprüft" worden, es sei alles rechtens: "Es wurde festgestellt, dass ich niemals zusätzliche Erwerbseinkommen hatte und habe." Seine Landwirtschaft habe er vollständig verpachtet, sagt er zum STANDARD. All die erwähnten landwirtschaftlichen Tätigkeiten verrichte er "freiwillig, unentgeltlich und gerne, ganz einfach, weil mir das Arbeiten im landwirtschaftlichen Bereich nach wie vor Spaß macht".

100 Liter Nussschnaps

Den geselchten Speck verschenkt er an Freunde und Familie, genauso wie 100 Liter Nussschnaps, die er jedes Jahr ansetze – auch das Rotwildgehege halte er "rein hobbymäßig", das Fleisch verschenke er. "Zudem bin ich ein leidenschaftlicher Koch, und es ist für mich eine Freude und Selbstverständlichkeit, meine Gattin in ihrem Gasthaus zu unterstützen." Die anonyme Anzeige, die ihm sehr wohl einen Ertrag aus all diesen Tätigkeiten vorwirft, sei ihm nicht bekannt, sagt Waldhäusl.

Im Video "Gottfried der Wehrbauer" kommt auch Waldhäusls Mutter zu Wort. Nach dem Tod ihres Mannes, erzählt sie, habe ihr Sohn am Hof "weitergetan. Jetzt ist alles an ihm hängengeblieben." Auch wenn er gerne einen anderen Beruf ergriffen hätte. (Sebastian Fellner, 17.1.2019)