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Statt sieben Millionen Euro hat sich die ÖVP den Nationalratswahlkampf 2017 rund 13 Millionen Euro kosten lassen. Jetzt muss die Partei mit einiger Verspätung Strafe zahlen.

Frage: Warum muss die ÖVP für ihren 2017er-Wahlkampf eine Geldbuße von 880.000 Euro zahlen – und warum erst jetzt?

Antwort: Der Löwenanteil ist für die massive Überschreitung der Wahlkampfkostengrenze fällig – macht 800.000 Euro. Weil die ÖVP aber auch Spenden unzulässig angenommen beziehungsweise verspätet an den Rechnungshof (RH) gemeldet hat, kommen noch einmal 70.000 und 10.000 Euro dazu. Der Anlass: ein Grundstück am Mondsee, das der Parteijugend vom Land Oberösterreich fast zur Nullsumme überlassen wurde, und die Spende zweier Tiroler Bergbahnunternehmen, die mehrheitlich im Besitz einiger Gemeinden sind – und damit laut Gesetz nicht an eine Partei spenden dürfen. Finanzielle Folgen hat das Ganze erst jetzt, weil die Parteien ihre Rechenschaftsberichte erst im Herbst des Folgejahres beim Rechnungshof abliefern müssen. Daraufhin wird geprüft, werden Stellungnahmen eingeholt. Kommt es zur Anzeige beim Transparenzsenat, prüft das nächste Gremium – so gut das auf Basis der Angaben der Parteien eben möglich ist. Bis zur Endabrechnung dauert es also.

Der Stimmenfang von Sebastian Kurz war unrechtmäßig teuer.
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Frage: Wie kommt der Parteientransparenzsenat auf diese Summe?

Antwort: Die Juristen begründen das mit jener Passage im Parteiengesetz, laut der die Höhe der Geldbuße in Relation zur "Schwere des Vergehens" stehen soll. Auch die präventive Wirkung wird genannt. Und weil man ob des üppigen Geldpolsters einen Werbevorteil für die Türkisen ausgemacht hat, wollte man diesmal ein Statement setzen. Noch dazu, wo die ÖVP Wiederholungstäterin ist – bereits 2013 wurde sie zu einer Geldbuße von 300.000 Euro verdonnert. Auch damals war der Wahlkampf viel teurer als erlaubt.

Frage: 880.000 Euro Strafe muss man sich erst einmal leisten können. Wie ist es um die finanzielle Situation der ÖVP bestellt?

Antwort: Die Volkspartei ist hochverschuldet, so viel steht fest. Im Jahr 2017 nahm die Partei im Wahlkampf einen Kredit von 15 Millionen Euro auf. Der gesamte Schuldenstand dürfte noch höher sein, der Falter berichtete unter Berufung auf interne ÖVP-Dokumente, dass die Partei ein negatives Eigenkapital von 21, 5 Millionen Euro verbucht. Auch die neuen Spendendeckel machen der ÖVP zu schaffen, die in der Vergangenheit gerne auf Großspender setzte. Andererseits sorgte der türkise Erfolg bei der Nationalratswahl im Herbst dafür, dass die ÖVP durch die öffentliche Parteienförderung noch mehr Geld bekommt als bisher – allein 2020 fließen für die Bundespartei um die 21 Millionen Euro. Auf diesem Niveau bleibt die Förderung wohl bis zur nächsten Wahl 2024.

Frage: Warum führte die ÖVP 2017 einen sündteuren Wahlkampf mit 13 Millionen Euro?

Antwort: Die ÖVP beteuert, dass es sich um ein bedauerliches Versehen handelt. Durch die verzweigte Struktur der Partei sei die Einhaltung und Überwachung der Ausgabengrenze schwierig, lautet die offizielle Erzählung – diese Ansicht teilt der Transparenzsenat in seiner Begründung allerdings nicht. Natürlich sind auch andere Gründe für die Sprengung der Grenze denkbar, die die ÖVP freilich dementiert: Höhere Wahlkampfkosten sorgen für einen Wettbewerbsvorteil am Markt für Wählerstimmen. Mehr Stimmen übersetzen sich in eine höhere staatliche Parteienförderung. Wenn der erwartete Zusatznutzen der Grenzüberschreitung höher ist als die kalkulierte Geldbuße, wäre das ein rationales Motiv für den Gesetzesbruch. Ob die Wahlwerbung 2017 tatsächlich so viele Stimmen mehr gebracht hat, dass diese Rechnung aufgeht, ist fraglich, zumal die Legislaturperiode, an die die Höhe der Parteienförderung gekoppelt ist, wegen Ibiza vorzeitig zu Ende ging.

Frage: Gibt es Anzeichen dafür, dass die ÖVP eine solche Rechnung selbst angestellt hat?

Antwort: Der Falter berichtete im September aus anonymer Quelle über interne ÖVP-Dokumente, die genau das nahelegen sollen. Demnach sollen die geleakten Informationen den Verdacht begründen, dass die ÖVP bewusst mit der unerlaubten Zahl von dreizehn Millionen Euro Wahlkampfausgaben kalkuliert hat. Sogar die Geldbuße soll damals schon im Budget eingepreist worden sein, und zwar in Höhe von 890.000 Euro. Fast punktgenau jene Summe, die der Transparenzsenat am Mittwoch tatsächlich verhängt hat.

Sebastian Kurz schwor seine Anhänger 2017 in der Wiener Stadthalle auf den Wahltag ein. Das war teuer. Und kostet jetzt nochmal 880.000 Euro mehr.
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Frage: Hat die Partei im jüngsten Wahlkampf die Obergrenze von sieben Millionen Euro eingehalten?

Antwort: Das wird die Öffentlichkeit spätestens im Herbst 2020 wissen, wenn die ÖVP ihren Rechenschaftsbericht für 2019 vorlegen muss. Die Partei selbst sagt, dass diesmal das Gesetz eingehalten wurde. Dasselbe versicherte sie allerdings auch schon 2017.

Frage: Im Vorjahr wurde das Gesetz zur Parteienfinanzierung mit Stimmen von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt verschärft. Was würde die Kostenüberschreitung heute bedeuten?

Antwort: An der Wahlkampfkostenobergrenze von sieben Millionen Euro wurde nichts geändert. Die Geldbußen für eine Überschreitung dieses Betrags wurden jedoch massiv erhöht: Würde eine Partei die Grenze im selben Ausmaß übertreten wie die ÖVP 2017, hätte sie mit einer Strafe von bis zu 5,8 Millionen Euro zu rechnen. Das Abschreckungspotenzial der neuen Regeln ist also wesentlich höher. Ein Vergehen ist heute unattraktiver, weil die Strafe höher wäre als der potenzielle Nutzen.

Frage: Was hat sich durch das neue Gesetz noch geändert?

Antwort: Im Unterschied zu früher gibt es nun Obergrenzen für Parteispenden. Parteien dürfen jährlich nur noch insgesamt 750.000 Euro an Spenden einnehmen. Zudem dürfen Parteien pro Spender nur noch 7500 Euro jährlich erhalten. Zuwendungen über 2500 Euro müssen sofort an den Rechnungshof gemeldet werden, früher griff die Sofortmeldepflicht erst ab 50.000 Euro.

Frage: Die türkis-grüne Regierung hat weitere Nachschärfungen geplant. Was genau soll da kommen?

Antwort: Der Rechnungshof soll eine Aufwertung erhalten. Das heißt: direkte Einschau in die Bücher der Parteien. Momentan sind die Prüfkompetenzen des RH stark eingeschränkt, die Angaben der Parteien für die Öffentlichkeit daher wenig transparent. Künftig sollen Parteien laut türkis-grünem Plan sogar für jeden Wahlkampf einen eigenen detaillierten Rechenschaftsbericht dem RH vorlegen müssen. Die Strafen bei einer Kostenüberschreitung sollen noch saftiger ausfallen als nach dem 2019 bereits verschärften Gesetz. Eine Wiederholung von 2017 könnte sich die ÖVP bei diesem Szenario wohl nicht leisten: Die Strafe beliefe sich dann auf rund acht Millionen Euro – also zehnmal so viel, wie ihr nach alter Rechtslage aufgebrummt wurde.

Frage: Droht auch anderen Parteien eine Geldbuße?

Antwort: Die FPÖ hat ihren Rechenschaftsbericht überhaupt erst im Dezember 2019 mit deutlicher Verspätung an den Rechnungshof übermittelt. Bei der SPÖ sind die Prüfer schon einen Schritt weiter: Es gab einiges zu beanstanden – und das wurde im Juli des Vorjahres auch zur Anzeige gebracht. Ein Punkt könnte für die Roten heikel werden: Auch sie haben unter ihren Spenden eine äußerst großzügige Grundstückspacht für die Parteijugend (siehe unten). Die ÖVP muss wie erwähnt 70.000 Euro für einen ähnlich gelagerten Fall bezahlen.

Frage: Was passiert jetzt mit dem Geld?

Antwort: Das wechselt zwar seinen Besitzer, aber dann doch wieder nicht: Die ÖVP muss die Geldbuße von 880.000 Euro auf ein Konto des Bundeskanzleramts überweisen. Dort findet es seinen Platz in den Rücklagen des Ressorts. Will Bundeskanzler Sebastian Kurz das Geld, das ÖVP-Chef Sebastian Kurz zahlen musste, jedoch verwenden, braucht er für die Auflösung der Rücklagen die Freigabe von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). (Theo Anders, Karin Riss, 16.1.2020)

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