Flexiblere Arbeitszeitmodelle bringen mehr Frauen in die Medizin.

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Ich lernte das Gesundheitswesen früh aufgrund einer Autoimmunerkrankung als Patientin kennen. Aus Dankbarkeit und um Menschen wie mir zu helfen, wurde ich Ärztin. Ich behandle nun selbst Patienten mit Autoimmunerkrankungen. Das mache ich gern und voller Leidenschaft auch außerhalb meiner regulären Dienstzeiten.

Ein Detail der Ärzteserien à la Grey’s Anatomy ist diesbezüglich realistisch: Die Ärzte und Ärztinnen verlassen das Krankenhaus nur selten. Ich brauche im Gegensatz zu den Schauspielern, die Ärzte mimen, allerdings eine Regenerationszeit. Als Ärztin und Wissenschafterin sind für mich flexible Arbeitszeitmodelle von besonderer Bedeutung. Die teilweise Flexibilisierung in der Arbeitsstruktur hat bis dato auch dazu geführt, dass immer mehr Frauen den Beruf der Ärztin ausüben.

Diese zeitgemäße und notwendige Entwicklung, die von der Ärztekammer weniger charmant als "Verweiblichung der Medizin" bezeichnet wird, stößt aber in der männerdominierten Ärzteschaft auf Nervosität. Sich auf arbeitsrechtliche Grundlagen zu berufen reicht nicht. Denn: Wohl ist die Wochenarbeitszeit laut EU-Richtlinie auf maximal 48 Stunden beschränkt. Ebenso sind Ruhezeiten geregelt, auch in der Umsetzung im nationalen Recht.

Jungärztin Ida Aringer springt in die Bresche.
Privat

Allerdings gibt es nach wie vor die Möglichkeit, diese EU-Richtlinie mittels eines österreichischen Hintertürchens, genannt "Opt-out", zu umgehen. Zwar darf theoretisch die Zustimmung für ein Opt-out nicht Bedingung für den Abschluss eines Dienstvertrags sein bzw. darf sie nicht gemeinsam mit dem Dienstvertrag vorgelegt werden, die Praxis sieht aber ganz anders aus.

Oftmals wird das medizinische Personal zur Zustimmung zum Opt-out gedrängt. Allzu oft werden Überstunden angeordnet, die nicht adäquat oder nur mit einem minimalen Stundenlohn abgegolten werden. In österreichischer föderalistischer Manier gibt es diesbezüglich in jedem Bundesland andere Überstundenregulierungen.

Wissenschaftlichen Projekten und Forschungen kann deswegen nur abends oder an freien Tagen nachgegangen werden. Will Österreich im Spitzenfeld der Wissenschaft mitspielen, benötigen wir dringend neue Arbeitszeitmodelle, um auch die Forschung adäquat mit Zeit und Geld zu honorieren.

Wir müssen auch in der verstaubten, hierarchisch geprägten Ärzteschaft beginnen, mit der Zeit zu gehen und uns den neuen Anforderungen – auch jene, die z. B. die Digitalisierung unserer Arbeitswelt mit sich bringt – zu stellen. Sonst bleiben eine zerrissene Ärzteschaft, ein Generationenkonflikt und weiter abwandernde gut ausgebildete Mediziner.

Türen zu – aus gutem Grund

Österreich muss nun endlich alle Hintertürchen schließen und für die Ärzteschaft die 48-Stunden-Woche ohne das mögliche Opt-out einführen. Schaffen wir endlich eine gerechte und zeitgemäße Arbeitszeitregulierung und heben wir das Grundgehalt an, und das einheitlich und bundesweit. Zeit für Familie und Regeneration muss auch für Ärztinnen und Ärzte möglich sein. Denn es geht um die Spitzenmedizin in Österreich und damit um die bestmögliche Behandlung von Patienten. (Ida Aringer 22.1.2020)