"Ich wollte ihm nur eine Strafe geben, ihn nicht ermorden", so rechtfertigt Soner Ö. (35) vor dem Landesgericht Feldkirch die Tötung des Leiters der Sozialhilfeabteilung der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn. Dieser habe sein Amt missbraucht. "Ich wollte ihm die Nackenmuskulatur herausschneiden, damit er seinen Arm nicht mehr benutzen kann", sagt der Angeklagte.

Der Beamte habe ihn, der in Österreich seine Heimat sehe, vor zehn Jahren rechtswidrig ausgewiesen. Nach seiner Rückkehr als Asylwerber vor einem Jahr habe er ihn bei Urgenzen bezüglich seiner Grundversorgung mehrfach einfach abgefertigt. "Er hat mich in meiner Würde verletzt."

Die Geschworenen haben im für drei Tage anberaumten Prozess zu klären, ob Soner Ö. sein Opfer vorsätzlich ermordet hat, wie ihm die öffentliche Anklägerin Konstanze Manhart vorwirft. Die Staatsanwältin sieht Rache als Motiv. Er habe zum sterbenden Beamten gesagt: "Jetzt werden deine schönen blauen Augen erlöschen. Du hättest nur nett sein müssen."

Angeklagte leugnet Vorsatz

Der Angeklagte leugnet den Vorsatz, bekennt sich aber der schweren Körperverletzung mit Todesfolge schuldig. Hätte man ihm die Grundversorgung gegeben, ihn bei seinen Vorsprachen auf der BH anständig behandelt, "dann hätte die Tat verhindert werden können".

Gerichtspsychiater Reinhard Haller bescheinigte dem Angeklagten zwar eine Persönlichkeitsstörung, die einer sogenannten "höhergradigen Abnormität" entspreche, sah seine Zurechnungsfähigkeit aber gegeben. Ö. habe schon mit acht Jahren zu trinken, mit 14 Jahren mit Drogenkonsum begonnen, außerdem sei er mehrmals verurteilt worden.

Soner Ö., in Vorarlberg geborener und aufgewachsener Türke, und sein Opfer kannten sich seit über 20 Jahren. Als zwölfjähriger Bub traf er das erste Mal auf das spätere Opfer. Der Lustenauer war damals Polizist, der türkische Bub in einer Lustenauer Gang. "Er hat mit der Waffe herumgefuchtelt, damit ich ein Geständnis mache." Auch Ohrfeigen habe er vom Polizisten bekommen.

14 Vorstrafen und 13 Jahre später traf man einander wieder, das Opfer war mittlerweile bei der Fremdenpolizei, der Angeklagte hatte eine Strafe wegen gewerbsmäßigen Einbruchs abgesessen. Er wurde vom Opfer in die Türkei abgeschoben, kam postwendend wieder. Seine Partnerin war mit dem dritten Kind hochschwanger.

Sicherungshaft keine Diskussion

Soner Ö. wurde erneut abgeschoben. Weder die fremdenpolizeilichen Bestimmungen noch deren rechtliche Beurteilung stünden zur Diskussion, stellte der vorsitzende Richter Martin Mitteregger zu Beginn der Verhandlung klar. Und schon gar nicht die politische Diskussion über die Einführung der Sicherungshaft, die durch die Tat von Soner Ö. ausgelöst wurde.

Ö. spricht von politischem Druck. Der Richter widerspricht: "Hier übt niemand politischen Druck aus, da können Sie sicher sein." Es gehe einzig um die strafrechtliche Beurteilung der Tat – jenes tödlichen Messerstichs im Büro des Opfers. Ö., der in ersten Aussagen behauptet hatte, er habe sich das Messer erst bei seiner Schwester geholt, als ihn der Beamte erneut "verarscht habe", wartete mit einer neuen Erklärung auf. Er habe immer ein Messer bei sich getragen aus Angst vor einer türkischen Geheimorganisation, die ihn, einen Kämpfer der YPG, einer kurdischen Miliz in Syrien, bedrohe. Mit Waffen könne er umgehen. "Wenn ich jemand ermorden will, dann mach ich das so, dass man mich nicht erwischt." Er habe auf die Schulter gezielt, wollte nur verletzen, nicht töten.

Der erste Prozesstag endet überraschend schnell. Die geplante Einvernahme der amtshandelnden Polizistinnen und Polizisten zu Aussagen des Angeklagten kurz nach der Tat wurde nicht durchgeführt, da der Angeklagte nach seiner Festnahme nicht ordnungsgemäß über seine Rechte belehrt worden war. So dürfen Protokolle und Amtsvermerke in der Verhandlung nicht verwendet werden. Der Prozess wird am Dienstag mit der Befragung des psychiatrischen Gutachters Reinhard Haller und der Zeuginnen und Zeugen am Tatort fortgesetzt.

Nehammer verteidigt Pläne für Sicherungshaft

Nach der Tat entflammte eine Diskussion über die Sicherungshaft. Politiker argumentierten, diese hätte die Tat verhindert. Schubhaft wäre ebenso möglich gewesen, sagen Rechtsexperten. Am Montag verteidigte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) in der "ZiB 2" die türkis-grünen Pläne zur Sicherungshaft. Die Möglichkeit des präventiven Einsperrens solle in erster Linie für Asylwerber gelten, die man weder in Untersuchungs- noch in Schubhaft nehmen könne. Laut Nehammer sehen Türkis und Grün hier derzeit eine Gesetzeslücke.

"Zeitnah" will Nehammer zudem ein erstes "grenznahes Asylzentrum" umsetzen: Polizei sowie Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen sollen in einem Gebäude untergebracht werden, um beispielsweise "Dublinfälle" rasch rückschieben zu können. "Ziel wäre es, dass Migranten dort bleiben und das Verfahren auch dort abgewickelt wird", sagte der Innenminister. Zurückzugreifen sei dabei auf eine Wohnsitzauflage. Solange das Asylverfahren laufe, müsste sich die betreffende Person dann in der Umgebung des Asylzentrums aufhalten. Geplant sei ein Zentrum "im Grenzbereich zu Ungarn, Slowenien, Italien", allerdings stehe man bei diesem Projekt erst am Anfang und müsse dessen Umsetzung noch prüfen.

Auf die Frage, wie Nehammer gegen die vielfach kritisierten "schwarzen Netzwerke" im Innenministerium gedenkt vorzugehen, antwortete er: "Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich nicht auf die politische Farbe schaue, wenn ich etwas zur Umsetzung bringe." Bei künftigen Personalbesetzungen gehe es ihm rein um die Qualifikation, die Partei sei "unerheblich". (Jutta Berger, red, 20.1.2020)