Skikursatmosphäre bei der Anreise von Kurz, Kogler und Co zur Klausur in Krems: Wenn sich eine Regierung dem Klimaschutz verschreibt, sind Dienstwägen tabu.

Foto: Christian Fischer

Inhaltlich sickerte wenig Konkretes durch, dafür gab es Atmosphärisches: Kurz und Kogler betonten, dass die Stimmung zwischen ihnen bestens sei.

Foto: Christian Fischer

Krems – Von wegen Klimaschutz ist ohne Komfortverlust machbar: Der Wind pfeift so stramm über den Ballhausplatz, dass einem Zweifel an diesem beliebten Politikerversprechen kommen können. Dick eingepackt wuseln Mitarbeiter der Regierung herum, um Minister, Journalisten und andere Mitreisende zu den drei gecharterten Bussen zu dirigieren – wenn nicht alle spuren, auch in einem strengeren Ton. Trockenen Fußes in den Dienstwagen und ab die Post: Das spielt’s heutzutage nicht mehr.

Bilder und Botschaft sollen perfekt aufeinander abgestimmt sein, als sich die Regierung an jenem nasskalten Mittwochvormittag versammelt. Ein Teil der Minister hat sich eben noch in einer Eilzeremonie vom Präsidenten neu angeloben lassen, um die endgültigen Kompetenzen und Namen der Ressorts zu besiegeln, da geht es auch schon auf zweitägige Klausur nach Krems. Was ÖVP und Grüne mit der Anreise im Massenverkehrsmittel demonstrieren, wollen sie in der Wachau in konkrete Politik gießen: Das Steuersystem soll klimafreundlich werden.

Geben und nehmen

Wie DER STANDARD berichtete, will die Regierung zunächst zwei Brocken anpacken. Einerseits geht es um sechs Maßnahmen, die umweltfreundliches Verhalten belohnen und Gegenteiliges verhindern sollen: Das reicht von Schranken für den Tanktourismus über eine einheitliche Flugticketabgabe bis zu einem Umbau der Pendlerpauschale, die derzeit laut Kritikern den Autoverkehr fördere. Andererseits soll die Steuerlast insgesamt sinken, deshalb: Reduktion der ersten Tarifstufe bei der Lohn- und Einkommensteuer, die ab einem Monatseinkommen von 1250 Euro brutto greift, von 25 auf 20 Prozent.

Bevor der Ministerrat der Regierung am Donnerstag ein Konzept für all das beschließt, setzt die Ökologisierung bei den Bonmots für die Medienvertreter, die dem Regierungstross durch die verwinkelten Gänge des Steigenberger-Hotels am Rande der Weinberge nachstellen, ein. "Sowohl Emissionen als auch Sauerstoffbedarf sind bei uns sehr ähnlich", witzelt Bundeskanzler Sebastian Kurz, als eine Journalistin wissen will, ob die ÖVP den Grünen genug Luft zum Atmen gebe.

Türkises Trommelfeuer

Gemeint waren mit der Frage klimatische Störungen in der Koalition selbst. Dass die ÖVP in den ersten drei Wochen reichlich versucht hat, mit wenig grünaffinen Law-and-Order-Ideen Schlagzeilen zu machen, hat den Anschein türkiser Dominanz erweckt. Auch wenn Vizekanzler Werner Kogler die Debatte nun ein "herbeigeschriebenes Thema" nennt: Es waren Grüne, die das "Trommelfeuer" der ÖVP beklagt haben.

Den Juniorpartner stellt dies vor ein Dilemma. Halten die Grünen öffentlich dagegen, verstricken sie sich unfreiwillig in die von der ÖVP forcierten Debatten. Ignorieren sie die türkisen Vorstöße, werden die Anhänger unrund.

Kurz und Kogler gemeinsam auf dem Weg nach Krems.
ORF

Rudolf Anschober plädiert für das Prinzip Gelassenheit. Die rasche Schlagzeile sei nicht sein Ziel in der Politik, sagt der Sozial- und Gesundheitsminister, vielmehr ein langfristiger Stilwandel hin zu mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft: "Und das wird von den Wählern auch honoriert."

Sonderauftritt

Anschober ist der wohl auffälligste grüne Minister der ersten Tage, was auch an der Themenlage liegt. Bei der Klausur hat er mit Außenminister Alexander Schallenberg einen Sonderauftritt, um Ängste vor der Ausbreitung des Coronavirus zu zerstreuen. Mehr Sorgen als die Krankheit aus China bereiteten ihm heimische Grippewellen, die im Schnitt 1000 Tote pro Jahr forderten, sagt Anschober. Die Regierung will mit einem elektronischen Impfpass die Impfrate – derzeit unter zehn Prozent – erhöhen und erwägt eine Grippe-Impfpflicht für Menschen in Gesundheitsberufen.

Abgesehen vom Ernst des Themas regiert in Krems Heiterkeit, bei den fünf Fotoshootings am ersten Tag ebenso wie bei der Anreise. Die Atmosphäre im Bus hat nicht nur deshalb, weil Kogler begeistert vom vortägigen Nachtslalom in Schladming erzählt, etwas von einer Skikursfahrt. Die Minister wechseln Plätze, von türkis-grünen Berührungsängsten keine Spur – und als in Krems alle aus dem Bus steigen, meint es das Klima einmal gut: Die Sonne scheint. (Gerald John, 29.1.2020)