Das Ritual ist alle sieben Jahre ähnlich: Die Länder, die netto relativ viel in die gemeinsame EU-Kasse einzahlen, brechen in großes Gejammer aus. Ärmere Staaten hingegen, etwa Polen oder Ungarn, die aus EU-Töpfen netto sehr viel Geld erhalten, vor allem zugunsten von Bauern und ärmeren Regionen, verteidigen naturgemäß ihre Subventionen.

Es ist ein Feilschen um Vorteile, wie auf nationalen Ebenen. Der große Unterschied: Bei der EU-Finanzierung entscheidet sich, ob die ganze Gemeinschaft als solche schwächer oder stärker wird. Wozu das führen kann, lehrt die Geschichte. 2012/13 war es ein gewisser David Cameron, der für einen strikten Sparbudgetrahmen trommelte: 1000 Milliarden Euro in sieben Jahren dürften nicht überschritten werden.

Inhaltlich konnte der britische Premier das nicht begründen, aber die Symbolik der Zahl wirkte magisch. Cameron wollte als "besserer Rechtspopulist" die EU-Skeptiker in seiner eigenen Partei besänftigen. Angela Merkel stimmte zu. Er setzte sich durch. Aber die Sache ging trotzdem schief. 2015 fehlten der EU Geld und politischer Wille bei "großen Aufgaben" wie in der Migrationskrise. 2016 stimmten die Briten für den Brexit.

2020 ist die Ausgangslage noch ungünstiger. Großbritannien, ein großer Beitragszahler, ist weg. Das Wehklagen der Nettozahler hat Österreichs Kanzler Sebastian Kurz übernommen: Der EU-Budgetrahmen dürfe 1,0 Prozent der gesamten Wertschöpfung der 27 EU-Staaten nicht überschreiten. Auch das eine magische Zahl.

Bundeskanzler Sebastian Kurz.
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Um das zu unterstreichen, platzierte Kurz mit seinen Regierungskollegen aus Dänemark, Schweden und den Niederlanden in der "Financial Times" ein Plädoyer für ein schmales EU-Budget. Ihre Argumente sind nicht falsch, etwa dass Nettobeiträge keine Obergrenze haben.

Aber: Wie schon Cameron zeigen Kurz und Co eine große Schwäche: Sie reden das gemeinsame Europa klein statt groß. In die Zukunft blickende Europapolitiker sollten ihren Bürgern eine größere Dimension erschließen. Wenn die EU-Staaten Klimawandel, Energieproblematik, die Finanzierung der großen Verkehrs- und Digitalinfrastrukturen oder eine Euroarmee ernst nehmen, dann geht das nur europäisch. Es braucht gigantische Summen für gemeinschaftliche Projekte. Man sollte also mehr über EU-Steuern als über kleinere nationale Beiträge reden. (Thomas Mayer, 18.2.2020)