Zwischen Parolen wie "Bück dich hoch", "Niveau weshalb warum" oder "Arbeit nervt": Bei Deichkind in der Wiener Stadthalle wird der Saal durch die Decke gehen.

Foto: Studio Schramm Berlin

Dada Als "Bewegung" wurde Dada 1916 in Zürich im Cabaret Voltaire in der Spiegelgasse 1 von Künstlern und Künstlerinnen wie Hugo Ball, Emmy Hennings, Sophie Taeuber, Tristan Tzara, Richard Huelsenbeck oder Hans Arp gegründet. Den Schrecken des Ersten Weltkriegs, vor allem aber den strikten Normen und Zwängen in Gesellschaft und Kunst setzten sie Dada als von jedwedem Sinn (beziehungsweise auch Unsinn) gelösten Befreiungsschlag gegen die Hässlichkeit und Banalität des Faktischen entgegen.

Arp, Hans Der oben erwähnte Mitbegründer der Dada-Bewegung schrieb dazu nicht nur Gedichte wie: "sankt ziegelsack springt aus dem ei / rumsdibums das gigerltum / vergißmeinicht rollt um den stuhl / glocke schlägt nur eins und zwei ..." Hans Arp schrieb auch Grundsätzliches: "Dada ist der Urgrund aller Kunst. Dada ist für den ,Ohne-Sinn‘ der Kunst, was nicht Unsinn bedeutet." Und: "Dada ist für den unbegrenzten Sinn und die begrenzten Mittel."

deichkindTV

Dada-Manifest Wie jede vernünftige oder unvernünftige Bewegung hat auch Dada einer Grundsatzerklärung bedurft. Hugo Ball, der nebenher auch das dadaistische Lautgedicht erfand, das einige Jahre später von Kurt Schwitters in seiner Ursonate, nun, ja, perfektioniert wurde ("Fümms bö wö tää zää Uu, pögiff, kwii Ee. Oooooooooooooooooooooooo ..."), hat das Dada-Manifest 1916 verfasst. In ihm finden sich zwei wichtige Punkte.

Erstens: "Dada Weltkrieg und kein Ende, Dada Revolution und kein Anfang. Wie erlangt man die ewige Seligkeit? Indem man Dada sagt. Dada ist die Weltseele, Dada ist der Clou, Dada ist die beste Lilienmilchseife der Welt."

Zweitens: "Ich will keine Worte, die andere erfunden haben. Alle Worte haben andere erfunden. Ich will meinen eigenen Unfug, und Vokale und Konsonanten dazu, die ihm entsprechen. Diese vermaledeite Sprache, an der Schmutz klebt wie von Maklerhänden, die die Münzen abgegriffen haben. Das Wort will ich haben, wo es aufhört und wo es anfängt."

Laurent Cournoyer

Art-Pop Bevor wir uns näher dem Schaffen von Deichkind widmen (oder doch nicht), noch einmal kurz zu Hugo Ball. Sein wohl berühmtestes Lautgedicht nennt sich Gadji Beri Bimba. Dessen erste Zeilen lauten: "gadji beri bimba glandridi laula lonni cadori / gadjama gramma berida bimbala glandri galassassa laulitalomini." Im Zeitalter des Punk, der um 1980 zum Postpunk übergegangen war und wieder verstärkt auf Art-Pop und Rock setzte, verbeugten sich die intellektuellen New Yorker Talking Heads mit ihrem Frontmann David Byrne vor Dada.

Sie veröffentlichten auf dem stilprägenden Album Fear Of Music den Song I Zimbra. Der zitierte Balls onomatopoetisches Gedicht beinahe vollständig: "Gadji beri bimba clandridi / Lauli lonni cadori gadjam / A bim beri glassala glandride / E glassala tuffm I zimbra."

Mike Skowronski

Da Da Da Ein Jahr nach den Talking Heads hatte 1981 ein deutsches Trio namens Trio mit Da Da Da einen kleinen Welthit. Es führte Dada damit zumindest in adaptierter Form über in eine experimentierfreudige, bezeichnenderweise wie Dada bewusst aus dem Dilettantismus kommende Musikszene. Diese nahm sich als Neue Deutsche Welle der guten alten Tante aus der Zürcher Spiegelgasse wieder ironisch-ernst an.

Mystic Plug Relics

Neben Bands wie Palais Schaumburg (Grünes Winkelkanu), Der Plan (Da vorne steht ne Ampel) oder Die Tödliche Doris (Sieben tödliche Unfälle im Haushalt) waren das vor allem auch die Einstürzenden Neubauten. Ihr Frontmann nannte sich Blixa Bargeld, eingedenk des 1927 tödlich auf dem Mont Blanc verunglückten Kölner Bergsteigers und Dadaisten Johannes Theodor Baargeld alias Zentrodata (Fummelmond & Ferngefimmel).

Die Neubauten stellten mit Schrottplatz-Utensilien sowie an Dada, aber auch an Antonin Artauds Theater des Mangels, der Krise und der Grausamkeit sowie am Situationismus geschulter Performance die Sinnhaftigkeit normierter Musik infrage. Noch 2007 veröffentlichten sie den Song Let’s Do It A Dada, in dem einige Protagonisten aus dem Cabaret Voltaire auch namentlich erwähnt werden, inklusive des damals in der Zürcher Nachbarschaft wohnenden, später weitaus gefährlicheren Revolutionärs Lenin.

DeKlootHommel

Awop bobaloo bop a lop bam boom Der zentrale Weckruf der Popkultur stammt übrigens aus dem Jahr 1955. Damals veröffentlichte Rock-’n’-Roll-Gott Little Richard den Song Tutti Frutti. Wir wissen nicht, was seine Lyrics bedeuten. Wir wissen aber ganz genau, was damit gemeint ist. Und das ist natürlich zu hundert Prozent Dada.

fatdog14

(Christian Schachinger, 21.2.2020)