Christiaan van Heijst hat gleich zwei Traumjobs: Seit rund 20 Jahren arbeitet er als Pilot und fliegt Ziele auf der ganzen Welt an. Als Fotograf schießt er vom Cockpit aus außerdem Fotos, die unseren Planeten aus einer ungewohnten Perspektive zeigen. Seine Bilder haben ihn bereits zum Bestsellerautor gemacht. Im STANDARD-Interview erzählt er, woher seine Leidenschaft fürs Fliegen kommt, welcher für ihn der schönste Ort von oben ist und warum er zu Hause in den Niederlanden nie fotografiert.

STANDARD: Herr van Heijst, Sie waren einer der jüngsten Piloten, der je eine Boeing 747-8 (eines der weltweit größten Passagierflugzeuge, Anm.) fliegen durfte, mit gerade einmal 27 Jahren. Wie sind Sie zum Fliegen gekommen?

Van Heijst: Mit zwei Jahren bin ich mit meinen Eltern zum ersten Mal geflogen, in den Urlaub in die USA. Dieser Flug hat sich bei mir richtiggehend eingebrannt, es sind welche meiner ältesten und intensivsten Erinnerungen. Von da an wusste ich, dass ich Pilot werden möchte.

Mystische Wolkenstimmung bei Sonnenaufgang über den USA.
Foto: JPC van Heijst

STANDARD: War das Fotografieren auch schon so früh eine Leidenschaft von Ihnen?

Van Heijst: Nein, überhaupt nicht. Das ist erst mit meinen ersten Flugstunden gekommen. Fotografieren und Fliegen waren von Beginn an eng miteinander verbunden. Es war diese ungewohnte, für den Menschen unnatürliche Perspektive von oben, die mich fasziniert hat. Diese wollte ich festhalten. So bin ich zum Fotografieren gekommen.

Gewitter, Sonnenaufgang und die Lichter der Zivilisation: Aus dieser Perspektive sehen sonst nur die Piloten diese Szenerie.
Foto: JPC van Heijst

STANDARD: Wie schwierig ist es, vom Flugzeug aus zu Fotografieren?

Van Heijst: Um solche Bilder aufzunehmen, wie ich sie heute mache, hat es 20 Jahre Übung gebraucht. Im Flugzeug gibt es viele Herausforderungen für einen Fotografen. Zum Beispiel spiegeln die Scheiben im Cockpit, Turbulenzen und die Bewegungen des Flugzeugs verwackeln Bilder schnell, und außerdem gibt es sehr wenig Platz. Ein weiteres Problem ist häufig das Wetter. Ich kann nicht die idealen Bedingungen für meine Fotos schaffen, sondern muss mit dem arbeiten, was mich in der Luft erwartet.

Nordlichter bei Sonnenaufgang über Kanada.
Foto: JPC van Heijst

STANDARD: Wann wurde aus der Fotografie mehr als ein Hobby?

Van Heijst: Ich kann nicht sagen, dass Fotografieren je "nur ein Hobby" für mich war. Ich war von Anfang an mit sehr viel Leidenschaft und Hingabe dabei. Wirklich zu einer zweiten Karriere wurde es, als ich vor einigen Jahren einen Verleger kennengelernt habe. Als dieser auf meine Bilder aufmerksam wurde, hat er mir vorgeschlagen, sie doch als Buch herauszugeben. "Cargo Pilot" beschreibt und bebildert einen Flug aus der Sicht eines Langstreckenpiloten und ist bereits mehrfach neu aufgelegt worden.

Elmsfeuer am Cockpitfenster während eines Sturms.
Foto: JPC van Heijst

STANDARD: Ist es nicht gefährlich, neben dem Fliegen eines Passagierjets Fotos zu schießen?

Van Heijst: Ich mache nur Fotos, wenn es zu hundert Prozent sicher ist. Während Langstreckenflügen sind immer mindestens zwei Piloten im Cockpit, oft sogar noch mehr an Bord. Da ist genügend Zeit da, ein paar Bilder zu machen, während jemand anderes das Flugzeug steuert.

Nächtliche Aussicht: der Mond über einer dichten Wolkendecke.
Foto: JPC van Heijst

STANDARD: Sie sind auch auf Instagram und haben über 100.000 Follower. Spielt das eine große Rolle für Fotografen?

Van Heijst: Instagram ist großartig für kreative Menschen, um ihre Arbeit mit anderen zu teilen. Es ist wunderschön, zu sehen, wie vielen Leuten auf der ganzen Welt meine Fotos gefallen und was sie in ihnen auslösen. Wirklich viele Aufträge oder Ähnliches habe ich über Instagram aber noch nicht bekommen – wobei ich aber auch erst recht spät angefangen habe, es zu nützen. Anfangs dachte ich, das ist nur etwas für Selfies mit lustigen Filtern (lacht).

Christiaan van Heijsts Arbeitsplatz bei Nacht.
Foto: JPC van Heijst

STANDARD: Fotografieren Sie eigentlich auch am Boden?

Van Heijst: Ja, sehr gerne sogar. Wann immer ich nach einem Flug für einen Tag oder länger in einem Land bin, mache ich sehr viele Bilder. Nur zu Hause fotografiere ich eigentlich nie. Da habe ich so viele andere Dinge zu tun, es würde mir einfach die Zeit fehlen.

Wolken und eine Gewitterfront über Taipeh.
Foto: JPC van Heijst

STANDARD: Haben Sie auch Österreich schon einmal von oben fotografiert?

Van Heijst: Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher (lacht wieder). Ich habe auf jeden Fall die Alpen schon fotografiert, allerdings weiß ich nicht, ob es die österreichischen waren.

Ein aufkommendes Gewitter vom Cockpit einer 747 aus.
Foto: JPC van Heijst

STANDARD: Was ist das beeindruckendste Motiv, das Ihnen je vor die Linse gekommen ist?

Van Heijst: Ich bin am Anfang meiner Piloten-Karriere in Afghanistan geflogen. Da haben wir das Flugzeug manchmal mitten durch die Berge navigiert. Das war unglaublich beeindruckend. Auch heute, wenn ich über Afghanistan fliege, klebe ich geradezu an der Fensterscheibe. Was mir auch jedes Mal den Atem raubt sind Grönland und Alaska. Ich mag die raue Schönheit der Natur dort, die Gletscher, das Eis, und die wenige Zivilisation.

Ein Sonnenaufgang über den Wolken.
Foto: JPC van Heijst

STANDARD: Wo würden Sie gerne noch hinfliegen?

Van Heijst: Tatsächlich auf den Mond. Das ist ein großer Traum von mir und ich hoffe wirklich, dass ich es irgendwann schaffe, ihn wahr werden zu lassen! (Antonia Rauth, 11.3.2020)