Die Leipziger Messehallen bleiben nächste Woche leer – eigentlich wären 300.000 Menschen zur nun abgesagten Buchmesse erwartet worden.

Foto: APA/dpa-Zentralbild/Jan Woitas

Im Sport ist der Ausschluss von Zusehern eine Präventionsoption. Events wie EHC Biel gegen die Zürich Lions werden ja auch im TV gezeigt.

Foto: imago images/Pius Koller

Der jüngste als Präventionsmaßnahme verkündete kulturelle Terminverlust betrifft die Leipziger Buchmesse, die kommende Woche hätte stattfinden sollen. Nach eisernen Durchhaltebeteuerungen wurde diese am Dienstag doch abgesagt. Ein schwerer Schlag für die Branche, wie Reaktionen meinen, zählte die Messe zuletzt doch fast 300.000 Besucher. Viele hatten die Sinnhaftigkeit einer Durchführung in den letzten Tagen aber genau aufgrund dieser Gäste aus aller Welt massiv angezweifelt. Es gehe dabei um eine "Präventionsmaßnahme", damit das Virus sich in Deutschland nicht weiter ausbreite, argumentierten denn auch die Veranstalter.

Das 73. Filmfestival in Cannes im Mai wackelt zumindest. In Österreich ist indes am Dienstagabend die Homedepot Designmesse in Wien abgesagt worden.

Ob Absagen sinnvoll sind, müsse von Fall zu Fall beurteilt werden, sagte Christoph Steininger, Infektiologe an der Med-Uni Wien, dem STANDARD. Großveranstaltungen würden abgesagt, "weil man viele Menschen auf einem Haufen vermeiden will, von denen ein oder zwei Infizierte ganz viele andere anstecken könnten". Steininger vermutet vor allem die Angst der Veranstalter vor Regressansprüchen hinter den Absagen. In Österreich gebe es derzeit nur wenig Infektionsfälle. "Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand zu einer Veranstaltung kommt, der infiziert ist, ist sehr gering." In Wien habe es bereits Veranstaltungsabsagen gegeben, die Steiningers Einschätzung nach nicht nötig gewesen wären.

Mögen andere Länder ihre Museen und Theater schließen, Österreich bleibt im Großen und Ganzen aber bei einer Strategie des Augenmaßes und einer vom Innenministerium veröffentlichten Checklist zur Risikobewertung für Veranstalter im Sinn der Eigenverantwortlichkeit. Auf deren Basis komme man "aktuell zu dem Ergebnis, dass der Spielbetrieb normal weiterlaufen kann", heißt es nicht nur aus dem Wiener Konzerthaus.

Business as usual

In den heimischen Kulturbetrieben herrscht business as usual – bis auf die Vermehrung der Desinfektionsmöglichkeiten in den Publikumsbereichen. Interne Notfallpläne, die festlegen, ab wann es keine Führungen mehr geben würde, existieren im KHM oder in der Albertina zwar. So weit sei man aber noch lange nicht.

Bereits festzustellen sind hingegen Besucherrückgänge, das Belvedere spricht von etwa 25 Prozent. Am stärksten betreffe dies Besucher aus Italien, Südkorea und Japan. Für den Fall einer Schließung rechnet das Haus einen täglichen Umsatzverlust von 35.000 Euro vor. Bei der Bundestheaterholding beliefe sich dieser für Staatsoper, Volksoper und Burgtheater auf gesamt 190.000 Euro.

Eine Ausfallversicherung im Falle einer Pandemie haben trotzdem viele Häuser nicht. Bezüglich Zusperren verlassen sich alle daher auf die behördliche Anordnung – in diesem Fall würde ihnen der Verdienstentgang laut Epidemiegesetz vergütet. Was aber, wenn das Publikum ohne Schließanordnung ausbleibt? "Das ersetzt uns niemand", so das Theater in der Josefstadt. Man braucht daher vor allem eines nicht: Panik.

Der Kinokonzern Cineplexx verzeichnet noch keine Besucherrückgänge. Ewald Tatar, mit Barracuda Music der größte heimische Konzertveranstalter, bemerkt für Shows in den nächsten Wochen leichte Rückgänge bei Kartenverkäufen. Künstler hätten Auftritte noch nicht abgesagt. Der Großteil seiner Shows sei aber etwa gegen Epidemien versichert.

Sollte sich die Lage zuspitzen, bietet das Ausland kreative Lösungen an. Das Venezianische Teatro La Fenice spielt vor leerem Haus und streamt Aufführungen auf Youtube, und die auf 1100 Sitzplätze ausgelegte Zürcher Oper begrenzte ihr Kartenkontingent zuletzt flugs auf 900 Gäste, um unter der Schweizer Absagegrenze von 1000 zu bleiben.

Fernsehen bleibt

Der Ausschluss von Zusehern ist aktuell auch die Ultima Ratio im Sport. Die Biathleten müssen etwa am Wochenende beim Weltcup in Nové Mesto, Tschechien, der Anfeuerung durch Fans entbehren. Einbußen gibt es, das große Geld bringt aber ohnehin der TV-Sport. Auch deshalb werden Events wie die Fußball-EM, die im Sommer in zwölf europäischen Städten durchgeführt wird, nur im äußersten Notfall abgesagt werden. "Wir haben verschiedene Szenarien", blieb Uefa-Generalsekretär Theodore Theodoridis beim Kongress des europäischen Fußballverbands im Amsterdam sehr vage. Die Verantwortung wird an die lokalen Behörden delegiert – weniger sportlich als vernünftig. (Bernadette Redl, Michael Wurmitzer, Sigi Lützow, 3.3.2020)