Niedergelassene Ärzte warnen davor, dass Praxen zu Virus-Drehscheiben werden.

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Die Berichte aus Spitälern, dass es zunehmend an Schutzkleidung und Masken mangelt, häufen sich. Doch nicht nur in den Krankenhäusern werden die Zustände zunehmend prekär. Dutzende praktische Ärzte schlagen Alarm: Unzählige Praxen verfügen über keinerlei notwendige Schutzausrüstung, weder für Ärzte noch für die Angestellten.

Das teilt der im niederösterreichischen Groß Gerungs praktizierende Arzt Alexander Pesendorfer dem STANDARD mit. Er spricht im Namen von knapp 50 Kollegen. "Uns fehlt eigentlich alles. Masken, Mäntel, Brillen", sagt Pesendorfer. Seit Wochen versuche man über die zuständigen Stellen Lieferungen zu erhalten, sei aber gescheitert: "Wir haben damit gerechnet, dass wir versorgt werden, wenn es notwendig sein wird. Wir sind aber hängengelassen worden."

6.000 Masken werden bereitgestellt

Und das könne fatal enden, sagt der Allgemeinmediziner: "Wir stehen in der allerersten Reihe. Ohne Schutz ist es fast unvermeidlich, dass viele von uns eher früher als später mit Covid-19 in Kontakt kommen. Wer soll die Bevölkerung dann medizinisch versorgen, wenn wir krank oder in Quarantäne sind?" Menschen würden in weiterer Folge in Spitäler drängen, wo aber kein Platz für sie sein werde. "Wir werden gerade sinnlos verheizt, und das schon ganz am Anfang dieser Krise."

Auch die Ärztekammer bestätigt einen bundesweiten Mangel, der zum Teil mit erschwerten Lieferbedingungen zusammenhänge. In Oberösterreich gebe es etwa "massive Engpässe" bei der Schutzausrüstung, was vor allem für die Visiten in Alten- und Pflegeheimen ein großes Problem darstelle. In der Steiermark wurde bisher Grundausrüstung, aber keine Schutzausrüstung ausgegeben. In Salzburg und Tirol spricht die Kammer von einer "schwierigen" sowie "problematischen" Lage. Für Tirol, Österreichs Krisenherd Nummer eins, wird für das Wochenende Nachschub erwartet. Lediglich im Burgenland und in Kärnten gebe es bisher keinen Versorgungsenpass. In Wien gibt es zum Teil kein Desinfektionsmittel mehr.

Zumindest 6.000 Schutzmasken werden nun in Niederösterreich von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) bereitgestellt, wie eine Sprecherin dem STANDARD sagt. Es handelt sich um Altbestände, die aber "voll funktionsfähig" seien. Zu restlicher Schutzkleidung würden keine Informationen vorliegen.

Prinzipiell würden die Ärzte selbst Verantwortung dafür tragen, sich mit entsprechender Ausrüstung zu versorgen. Dass sich auf eine Situation in diesem Ausmaß niemand vorbereitet habe, sei aber wiederum auch verständlich. Jetzt gehe es darum, den Ärzten unbürokratisch zu helfen. Dabei werde es auch Unterstützung vom Bund brauchen: "Keiner hat gewusst, dass es so kommen wird."

Im Verdachtsfall unter 1450 melden

Grundsätzlich ist vorgesehen, sich im Verdachtsfall unter 1450 zu melden und nicht selbstständig zum Arzt zu gehen. Das wird von den Behörden auch mantraartig wiederholt – so soll die Ansteckungsgefahr möglichst minimiert werden. Durch zum Teil stundenlange Wartezeiten entstehe aber Verunsicherung.

Man könne nicht ausschließen, dass Patienten trotzdem Ordinationen aufsuchen, sagt Pesendorfer. Abseits davon besteht auch die Möglichkeit, dass Menschen ohne ihr Wissen infiziert sind und wegen eines anderen Leidens ärztlichen Rat suchen. Kollegen hätten durchaus schon Personen mit typischen Symptomen behandelt, schildert Pesendorfer.

Verringerung der Kontakte

Kassenarzt Pesendorfer selbst schätzt seine täglichen Kontakte auf 80 bis 120. Kollegen würden aber teilweise auch 200 Patienten am Tag behandeln. Zumindest diese Gefahrenquelle sollte sich aber nach den jüngsten Empfehlungen der Ärztekammer verringern: Patienten sollen nur nach Voranmeldung in die Praxen kommen. Sollte keine Dringlichkeit vorliegen, werden Patienten gebeten, den Termin möglichst zu verschieben. Menschenansammlungen sollen durch genaue Einhaltung der Termine vermieden werden. Ärzte können Rezepte auch direkt an Apotheken schicken.

Die Folgen von mangelndem Schutz wären drastisch, sagt der Arzt: "Sind wir infiziert, fallen wir nicht nur als Ärzte aus. Wir verteilen das Virus auch." (Vanessa Gaigg, 17.3.2020)