Nicht erst in Zeiten des Coronavirus gilt: Händewaschen und Händedesinfektion sind einfache und wirksame Methoden, um die Verbreitung von Infektionskrankheiten einzudämmen. Diese Erkenntnis wurde bereits ab 1846 vom ungarischen Arzt Ignaz Philipp Semmelweis propagiert. Doch was heute selbstverständlich ist, war damals hochumstritten. Semmelweis' Theorie, dass Ärzte infolge mangelnder Händedesinfektion Krankheiten verbreiten, wurde kritisiert, verhöhnt und als spekulativer Unfug abgetan, Semmelweis – modern gesagt – gemobbt und ausgegrenzt. Die damals weitverbreitete Ansicht, Hygiene sei reine Zeitverschwendung, hatte unter vielen seiner Kollegen noch absolute Gültigkeit.

Porträt aus "Die großen Deutschen im Bilde" (1936).
Foto: Eugen Doby, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org

Gebären im Krankenhaus? Lebensgefährlich!

Iganz Semmelweis, der 1818 im damaligen Buda als Kaufmannssohn geboren wurde, gilt heute als Retter der Mütter und Entdecker der Ursachen des Kindbettfiebers. Diesem Meilenstein in der Medizingeschichte liegt eine einfach hygienische Maßnahme zugrunde: die effiziente Händereinigung.

Bis allerdings Semmelweis' Theorie in der Fachwelt anerkannt wurde, vergingen Jahre, Jahre, in denen rund jede vierte bis fünfte gebärende Frau bei der Geburt ihres Kindes ihr Leben verlor.

Nach seinem Medizinstudium an den Universitäten Pest und Wien, wo Semmelweis 1844 promoviert wurde, erhielt er 1846 eine Assistentenstelle an der I. Gebärklinik im Wiener Allgemeinen Krankenhaus. Zu dieser Zeit verstarben dort viel mehr junge Mütter am Kindbettfieber als an der II. Gebärabteilung. Der Unterschied war rasch erkannt. An der II. Gebärklinik wurden ab 1839 Hebammen ausgebildet, die primär die Geburtsvorgänge unterstützten, während an der I. Gebärklinik Ärzte und Studenten direkt vom Seziersaal, ohne die Hände zu waschen, zur Untersuchung der Frauen kamen und ihre Patientinnen mit Bakterien infizierten.

So wäre es richtig.
Foto: www.hegasy.de, Hygienische Händedesinfektion nach DIN EN 1500, 31. 10. 2017, CCBYSA

"Das Schicksal hat mich zum Vertreter der Wahrheit erkoren"

Ein weiteres Indiz für einen Zusammenhang zwischen Seziersaal und Kindbettfieber lieferte das Obduktionsprotokoll von Semmelsweis' Freund Jakob Kolletschka. Dieser Pathologe und Gerichtsmediziner verstarb an einer Blutvergiftung, nachdem ihn ein Student bei Sezierübungen an der Hand verletzt hatte. Semmelweis fand heraus, dass Kolletschka an denselben Krankheitssymptomen litt wie die an Kindbettfieber erkrankten Frauen. Und auch an Tierversuchen mit Kaninchen konnte er den Übertragungsweg des Kindbettfiebers aufzeigen. Eigentlich Beweise genug, um nachzuweisen, dass Kindbettfieber durch hygienische Maßnahmen, wie Reinigung der Hände mit Chlorkalklösung, vermieden werden kann.

Die Aetiologie, der Begriff und die Prophylaxis des Kindbettfiebers.
Foto: Foto: Deutsches Textarchiv, CC BY-NC 3.0

Obwohl ihn Kollegen wie der Internist Joseph Škoda, der Dermatologe Ferdinand von Hebra, der Chirurg Freiherr Johann Dumreicher von Österreicher oder der Anatom und Pathologe Carl Rokitansky sehr unterstützten, stieß Semmelweis mit seiner Lehrmeinung auf heftigen Widerstand, und seine Erkenntnisse wurde als spekulativ abgetan. Vor allem sein Vorgesetzter, der Gynäkologe Johann Klein, ebenso wie der Augenarzt Anton Edler von Rosas feindeten ihn stark an. Aber auch international stand er als sogenannter Nestbeschmutzer auf der Abschussliste. Allen voran fand er im deutschen Pathologen Rudolf Virchow einen eklatanten Gegner. Da half auch wenig, dass 1850 Carl Rokitansky in seiner Funktion als Präsident der Gesellschaft der Ärzte die Lehrmeinung von Semmelweis offiziell anerkannte und ihm in dieser hitzigen Debatte Recht erteilte.

Die Kritik an Semmelweis lag natürlich auch daran, dass der damalige Kenntnisstand der Medizin einen direkten Nachweis einer bakteriologischen Übertragung noch nicht ermöglichte. Darüber hinaus wollten Mediziner sich schon gar nicht eingestehen, am Tod ihrer Patientinnen schuld zu sein.

Semmelweis zerbrach an der Kritik

Semmelweis zerbrach daran, dass seine Erkenntnisse auf so starke Ablehnung stießen. Sein Habilitationsverfahren im Jahr 1850 wurde nur mit Mühen durchgebracht. Verbittert verließ er Wien, ging zurück nach Pest und fungierte an der dortigen Universität als Hebammenlehrer und Professor für theoretische und praktische Geburtshilfe. 1865 führte eine fortschreitende Erkrankung zur Einlieferung in die Niederösterreichische Landesirrenanstalt in Wien-Döbling, wo er unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen 1865 starb.

Rehabilitation erfuhr Semmelweis 1867 durch den Chirurgen Johann Lister, der die Desinfektion von Operationssälen mit Karbol einführte. Die Ärztegeneration nach Semmelweis setzte seine hygienischen Maßnahmen bei Gebärenden um. Aber auch der sogenannte Semmelweis-Reflex, der eine Erkenntnis beschreibt, die in der Fachwelt auf Ablehnung stößt, weil sie verbreiteten Normen widerspricht, hält heute das Andenken an ihn hoch. (Daniela Angetter-Pfeiffer, 24.3.2020)