Vor der Nationalratssitzung am Freitag herrschte bis zuletzt das große Zittern: Ganz Tirol hat sich wegen des grassierenden Coronavirus Selbstisolation verpasst. In Vorarlberg stehen längst mehrere Ortschaften unter Quarantäne. Auch aus den anderen Bundesländern häuften sich wieder die Hiobsbotschaften rund um die Epidemie. Daher galt lange als ungewiss, wie viele der 183 Abgeordneten überhaupt im Parlament erscheinen können.

Gibt Erklärung ab, statt Budgetrede zu halten: Zur Bewältigung der Corona-Krise ist Finanzminister Blümel bereit, mehr als fünf Prozent Defizit in Kauf zu nehmen.
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Konkret entschieden die Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne im Vorfeld, dass ihre Mandatare aus Tirol nicht an der Plenarsitzung teilnehmen – was acht Mandataren entspricht. Dazu kommt auf grüner Seite die Vorarlbergerin Nina Tomaselli, die sich seit Montag in Quarantäne befindet, weil sie mit einer infizierten Person, die in St. Anton war, in Kontakt gewesen ist.

An den Mehrheitsverhältnissen im Nationalrat ändert das voraussichtlich nichts. Denn die Koalitionsfraktionen verfügen damit über 89 anwesende Abgeordnete, und die Opposition kommt in voller Montur nur auf 86. Dazu kündigten SPÖ, FPÖ und Neos an, dass ihre Mandatare aus den beiden westlichsten Bundesländern, also sieben Personen, ebenfalls nicht kommen werden.

Kooperationsbereite Opposition

Über all das mussten sich die Klubs der Opposition quasi erst in letzter Sekunde mit ihren jeweiligen Experten beraten: Denn Türkis-Grün will schon mit diesem Wochenende mit neuen Maßnahmen gegen die Corona-Krise ankämpfen. Angesichts der nächsten Krisengesetze sicherte die SPÖ erneut Kooperationsbereitschaft zu, mahnte aber ein, dass die einschneidenden Gesetze nur befristet gelten dürfen. Auch die Neos finden "die meisten Dinge vernünftig".

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), sein grüner Vize Werner Kogler und Co wollen sich vom Parlament auch den Sanktus geben lassen, Beschlüsse im Notfall per Videokonferenz fassen zu können. "Es geht darum, dass die Regierung in der Corona-Krise stets handlungsfähig ist und bleibt", hieß es dazu aus dem Umfeld des Kanzlers. Ein ähnliches Prozedere ist für die Richter am Verfassungsgerichtshof vorgesehen.

Schlag nach bei Kreisky

Noch ein Novum wird der Freitag mit sich bringen: Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) sagte seine Budgetrede ab, stattdessen will er nur eine Erklärung zum wankenden Staatshaushalt abgeben. Um Arbeitsplätze zu sichern und das Gesundheitssystem zu schützen, ist Blümel bereit, sogar mehr als fünf Prozent Defizit in Kauf zu nehmen – was in der ÖVP, die das ähnliche Mantra von Ex-Kanzler Bruno Kreisky (SPÖ) stets ablehnte, jahrzehntelang als undenkbar galt.

In all dem Trubel hat sich der Nationalrat außerdem an die neuen Vorschriften zu halten: Im Plenum muss zwischen jedem Mandatar ein Sessel leer bleiben, die andere Hälfte der Mandatare hat auf der Galerie oder in Nebenräumen Platz zu nehmen. Nur für die Beschlüsse, die blockweise abgefertigt werden, dürfen sich alle anwesenden Mitglieder der fünf Fraktionen kurz im Plenarsaal versammeln, um per Handzeichen ihre Zustimmung oder Ablehnung zu den Gesetzesmaterien kundzutun.

Am Samstag muss dann der Bundesrat seinen Segen geben: Auch hier ist fraglich, wie viele Mandatare der Länderkammer es nach Wien schaffen. Fest steht: Erst danach kann der Bundespräsident das neue Gesetzeswerk unterzeichnen, damit die nächsten Corona-Vorgaben in Kraft treten. (Jan Michael Marchart, Nina Weißensteiner, 19.3.2019)