Benny Gantz und Benjamin Netanjahu teilen sich die Macht – theoretisch.

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Das Drama ist beendet – wobei es nach den unerwarteten Wendungen, die diese Geschichte in den vergangenen Tagen genommen hat, klug ist, stets einen kleinen Vorbehalt einzubauen. Aber so sieht es jetzt nun einmal aus: Benjamin Netanjahu bleibt – beziehungsweise wird wieder – Regierungschef in Israel, in einer Union mit Benny Gantz, der damit seine Partei Kahol Lavon (Blau-Weiß) zerstört und so ziemlich alle Versprechen bricht, die er während des Wahlkampfs gemacht hat. Gantz hat sich dazu durchgerungen, einen Premier zu unterstützen, der eine kolossale Schmutzkübelkampagne gegen ihn geführt hat und der selbst mit einer Betrugs- und Korruptionsanklage konfrontiert ist.

Die Besonderheit dabei ist: In Corona-Zeiten und nach dem nunmehr einjährigen politischen Patt – gewählt wurde erstmals am 9. April 2019 – schaut das so halbwegs wie ein Sieg der Vernunft aus. Es gibt viele Enttäuschte, allen voran Gantz' Blau-Weiß-Partner Yair Lapid und Moshe Yaalon, die sich sofort von ihm lossagten. Aber es war Gefahr im Verzug, und nicht nur jene eines sich ausbreitenden Virus.

Die Vorgänge um die von Netanjahu-Parteigänger Juli Edelstein zuvor verhinderte Knesset-Sprecher-Wahl und das folgende Eingreifen der Justiz begannen die politischen Grundfesten Israels zu erschüttern. Diesem zerstörerischen Werk hat Gantz ein Ende gesetzt – nicht Netanjahu.

Anti-Bibi-Programm reicht nicht

Gantz' plötzlicher Schritt zurück ist aber mit Sicherheit nicht nur als persönliches Nachgeben zugunsten der politischen Stabilität Israels in schwierigen Zeiten zu erklären. Dahinter stand wohl auch die Einsicht, dass er mit seinem Bündnis mit der Arabischen Liste einerseits und dem rechten Avigdor Lieberman andererseits nicht weit gekommen wäre. Das gemeinsame Anti-Bibi-Programm hat einfach nicht ausgereicht – und Gantz' persönliche Kraft auch nicht, sich Netanjahu entgegenzustellen, dem es gelungen ist, sich als einzig möglichen Krisenmanager in Zeiten von Corona darzustellen.

Wie das Arrangement zwischen den beiden genau aussehen wird, war Freitagfrüh noch nicht ganz sicher. Am häufigsten wurde eine Variante einer Regierung genannt, die drei Jahre im Amt bleiben soll und der Netanjahu die ersten 18 Monate und Gantz den Rest der Amtszeit vorstehen soll.

Die politische Macht, Netanjahu zur Einhaltung des Deals zu zwingen, falls dieser in eineinhalb Jahren doch nicht gehen will, hat Gantz nach Zerbrechen seiner Partei und nach Verflüchtigung seiner ohnehin immer nur hauchdünnen Mehrheit im Parlament nicht. Die Annahme, dass Netanjahu um seiner Immunität willen die Zuflucht im Präsidentenamt suchen könnte, ist wohl nicht ganz verkehrt.

Aber dass Netanjahu nicht mehr Premier Israels sein wird, glaubt man ohnehin erst, wenn es einmal so weit ist. (Gudrun Harrer, 27.3.2020)