Autoverkehr wird steuerlich gefördert – das Wifo kritisiert, die Grünen drücken die Augen zu

Foto: APA/Fohringer

August Wöginger ist einer der mächtigen Männer in der Volkspartei – als Klubchef organisiert er die parlamentarischen Mehrheiten, die der Bundeskanzler braucht, um seine Politik auch in Gesetze gießen zu können. Gleichzeitig ist er aber auch Obmann der ÖVP-Arbeitnehmerorganisation ÖAAB, deren Basis ab und zu recht deutlich eine sozialere Politik von ihrer Partei einfordert. Da gilt es zu beweisen, dass Wöginger nicht einfach Erfüllungsgehilfe von Sebastian Kurz ist, sondern für "seine Leute" auch etwas herausholt.

Die Corona-Krise mit ihren Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt wird so zur Nagelprobe: Jetzt gilt es, für Arbeitnehmer möglichst viel durchzusetzen – da muss Wöginger die richtigen Signale setzen.

Sinnvolle Steuerbegünstigung

Eines davon ist, dass jetzt die Steuerbegünstigung für die sogenannte Mitarbeiterbeteiligung rasch eine gesetzliche Grundlage bekommt: Schon im Regierungsprogramm war vorgesehen, dass Arbeitgeber Prämien bis zu 3.000 Euro steuerfrei ausschütten können sollen. Das sofort umzusetzen ist zweifelsohne ein richtiger Schritt – es wird an Gewerkschaften und Betriebsräten liegen, darauf zu achten, dass solche Prämien tatsächlich bei der vielzitierten Supermarktkassierin ankommen. Und nicht etwa nur bei ein paar Managern.

Auf ÖAAB-Initiative soll der Nationalrat aber auch klarstellen, dass Überstunden, Schmutz- und Gefahrenzulagen sowie die Pendlerpauschale unangetastet bleiben, wenn Arbeitnehmer ihre Arbeit von daheim verrichten. Das ist nur teilweise sachgerecht: So fallen bei Heimarbeit wohl ebenfalls Überstunden an – für Schmutz und Gefahren gilt das wohl nicht.

Besonders verstörend ist, dass die Pendlerpauschale all jenen erhalten bleiben soll, die normalerweise zur Arbeit pendeln – jetzt aber im Homeoffice sitzen. Wöginger steht zu dieser Förderung: "Es ist selbstverständlich, dass die Pendlerpauschale auch für die Zeit des Teleworkings oder einer Dienstverhinderung gilt", mailte er am Mittwoch an alle, die es wissen wollten.

Das aber ist das falsche Signal.

Absurde Steuerbegünstigung

Die Steuerbegünstigung für die Autobenützung jenen zu gewähren, die das Auto gar nicht benützen, treibt die Widersinnigkeit der steuerlichen Ausnahmeregelungen auf einen neuen Höhepunkt. Dabei gilt die Pendlerpauschale an sich schon als widersinnig. Seit Jahren wird sie vom Wirtschaftsforschungsinstitut unter die "umweltkontraproduktiven Förderungen" gezählt – gemeinsam mit der geringeren Besteuerung von Diesel, der pauschalierten Dienstwagenbesteuerung und der Wohnbauförderung für Neubauten auf der grünen Wiese. "Die Maßnahmen tragen somit zur Steigerung der Flächeninanspruchnahme für Siedlung, zur zunehmenden Zersiedlung und auch zu wachsenden Verkehrsströmen bei", schrieben die Wirtschaftsforscher schon 2016.

Auf Seite 80 ihres Regierungsprogramms hat die türkis-grüne Koalition festgeschrieben, dass sie das Steuersystem vereinfachen und ökologisieren will. Das könnte etwa durch eine steuerliche Begünstigung des Homeoffice-Betriebes passieren – das käme allen zugute, die jetzt ihre private Handy- und Computerinfrastruktur nutzen müssen. Aber die Volkspartei knüpft lieber am Auto an.

So wie Gewerkschafter und Betriebsräte darauf schauen müssen, dass die Mitarbeiterbeteiligung in der Corona-Krise ihrem sozialen Sinn entsprechend eingesetzt wird, müssten Grüne und Umweltorganisationen darauf schauen, dass in der Corona-Krise kein Unfug mit ökologisch schädlichen Steuerprivilegien getrieben wird.

Die Grünen folgen der ÖVP

Stattdessen aber lassen die Grünen die ÖVP gewähren. Dabei geht es ja nicht einmal darum, das Steuersystem von heute auf morgen umzustellen und die Pendlerpauschale sofort abzuschaffen – so etwas braucht Zeit. Aber klarzustellen, dass eine widersinnige Begünstigung (wie sie die "große Pendlerpauschale" darstellt) wegfällt, wenn der begünstigte Umstand (die Autofahrt zum Arbeitsplatz) weggefallen ist, müsste doch eigentlich drin sein.

Klar: Das ist bei Autofahrern nicht populär. Das weiß der ÖAAB. Das wissen die Grünen. Aber es ginge um das ökologisch richtige Signal. (Conrad Seidl, 2.4.2020)