Direktorin Angelika Fitz steht allein in der fast fertig aufgebauten Ausstellung im Architekturzentrum Wien (AzW). Doch die Türen der Schau über den indischen Pritzker-Preisträger Balkrishna Doshi, die schon vorige Woche hätte eröffnen sollen, sind geschlossen. "Wir hoffen, dass wir die Ausstellung zu einem späteren Zeitpunkt zeigen können", sagt Fitz, "denn in ein Museum zu gehen ist vor allem eine räumliche und soziale Erfahrung – erst recht bei einer so sinnlich konzipierten Schau wie dieser. Wenn jetzt alle mit Online-Inhalten konkurrieren, fragt man sich schon, wer das alles konsumieren soll."

In den kommenden Wochen und Monaten wird Arno Ritter, Leiter des Innsbrucker aut, als Kommentator durchs Haus führen. Dazu gibt es regelmäßig Vorträge und Interviews auf mehreren Kanälen. Ritter: "Die jetzige Krise ist ein Loch, aber auch eine Chance für neues kreatives Potenzial."
Foto: Günter Richard Wett

Wie alle Museen reagieren auch die Architekturhäuser auf die Corona-Krise, jedes auf seine Weise. Beim AzW nimmt man sie gleich zum Anlass für ein Forschungsexperiment: Unter dem Hashtag #WieWirCoronaWohnen kann jeder via Instagram übermitteln, wie sich das Zuhause in der Selbstisolation gestaltet. "Rapid Response Collecting" lautet der Fachbegriff der Museumswelt für diese Diagnostik der Gegenwart, erklärt Angelika Fitz. "Ich halte es für wichtig, die Konsequenzen für den Wohnalltag jetzt schon zu dokumentieren. Darüber hinaus hoffe ich, dass wir aus der Krise lernen, solidarisch zu sein."

Online-Vorträge

Verschoben wurde auch die Eröffnung der Ausstellung Autokorrektur zum Thema Mobilität und Raum am Architekturforum Oberösterreich (afo) in Linz. Hier denkt man schon an das Danach: Die administrativen Auswirkungen, so afo-Direktor Franz Koppelstätter, reichten mindestens ein Jahr in die Zukunft, die gesellschaftlichen sowieso: "Die Baukultur, der Umgang mit Städten und Landschaften, der Verteilungskampf um Räume aller Art wird nach der Ausnahmesituation nicht an Relevanz verloren haben, eher im Gegenteil."

Relevant ist auch der Blick in die Vergangenheit. Arno Ritter, Leiter des Innsbrucker aut (architektur und tirol), eröffnete Ende Februar die momentan verwaiste Ausstellung Widerstand und Wandel. Über die 1970er-Jahre in Tirol. "Nachdem die Schau vor allem gesellschaftliche und sozialpolitische Errungenschaften zeigt, fühlen wir uns verpflichtet, die Essenzen daraus auch jetzt zugänglich zu machen", so Ritter, der sich in der Zwischenzeit als digitaler Kommentator versucht (siehe Bild). Einmal pro Woche wird im Rahmen der Ausstellung ein Vortrag oder ein Interview online gestellt. Den Anfang machte vorgestern, Donnerstag, der Politikwissenschafter Anton Pelinka.

Beim niederösterreichischen Architekturnetzwerk Orte nutzt man die Zwangspause, um über Kurzarbeit im Kulturbetrieb und über die prekären Arbeitsbedingungen in der Baubranche nachzudenken: "Der analoge Kulturbetrieb ist eingefroren, und die Baustellen sind eingestellt", sagt Orte-Vorsitzende Franziska Leeb. "Und während viele Jobs in ganz Österreich plötzlich anders gesehen werden als zuvor, könnten auch wir uns überlegen, wie wir die Bauproduktion menschenwürdiger gestalten und den Job des Maurers und Monteurs wieder erstrebenswerter machen können. Wie sozial ist unser ganzes Bauen und Wohnen, wenn wir die Arbeitskräfte, die unsere gebaute Umwelt errichten, mit Hungerlöhnen abgelten und in Elendsquartieren hausen lassen?" Die Krise hat großes Potenzial. (Wojciech Czaja, Maik Novotny, 21.4.2020)