Albert Posch ist extrem öffentlichkeitsscheu – so öffentlichkeitsscheu, dass es nur dieses PR-Foto des Bundeskanzleramts von ihm (ganz rechts) gibt.

Foto: BKA / Andy Wenzel

Gerade ist nicht die bequemste Zeit, um Chef des Verfassungsdienstes zu werden. Das Team der wichtigsten Regierungsjuristen ist erst Anfang des Jahres wieder vom Justizministerium zurück ins Bundeskanzleramt übersiedelt, da stellt der Kanzler Zweifel an der Verfassungskonformität der Corona-Maßnahmen als "juristische Spitzfindigkeiten" dar. Und die zuständige Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) erklärt nach Unstimmigkeiten mit dem grünen Gesundheitsministerium, der Verfassungsdienst sei in der Eile bei der Erarbeitung der Gesetzespakete nicht einzubinden gewesen.

Es sind Zeiten, in denen die Verfassung und ihr Dienst nicht viel Wertschätzung erfahren. Gut also für den neuen Verfassungsdienst-Chef Albert Posch, dass er sowohl die Juristensektion als auch das politische Geschäft bestens kennt.

Blümels Kabinettschef

Und dass er seinen Job nicht wirklich neu antritt: Sein Vorgänger Gerhard Hesse war 2019 als Richter an das Gericht der Europäischen Union geschickt worden, seit Jänner leitet Posch den Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt interimistisch. Von 2005 bis 2013 arbeitete er dort bereits als Experte für Europarecht, nun kehrt der 41-Jährige nach einer Tour durch die politischen Büros etlicher ÖVP-Spitzenpolitiker – zuletzt war er Kabinettschef des heutigen Finanzministers Gernot Blümel – zurück in den Verfassungsdienst.

Aber so schnell bringt Posch ohnehin nichts aus der Ruhe, erzählt jemand, der ihn kennt: Druck gebe der Steirer nicht weiter, sein Führungsstil sei vertrauensvoll bis egalitär – wenn’s pressiert, kann das Handy seiner Mitarbeiter aber auch einmal um acht Uhr abends läuten. Schwierige Situationen nehme er mit Humor, heißt es. Das hilft ihm jetzt wohl, wo der Verfassungsdienst zum Spielball im ersten türkis-grünen Koalitionskrach wird.

Bekanntschaften in New York

Wie sein Vorgänger wechselt er direkt aus einem politischen Büro an die Spitze des Verfassungsdienstes und muss, in der Krise und unter Beobachtung der Öffentlichkeit, seine Loyalitäten neu ordnen: vom türkisen Minister zur Verfassung der Republik. Der Verdacht liegt vor allem aus Oppositionssicht nahe, dass hier ein Parteigänger zum Chefjuristen gemacht werden soll. Entkräften kann ihn Posch nur durch harte, sachliche Juristenarbeit.

Gelernt hat Posch die Juristerei in Graz, auf die "richtige" politische Schiene kam er dort auch: Er engagierte sich für die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft und verantwortete als Chefredakteur die Zeitung der Studienvertretung. Später lernte er im Rahmen eines Studienaufenthalts an der renommierten Columbia-Universität in New York nicht nur seine spätere Frau, sondern auch die heutige Justizministerin Alma Zadić (Grüne) kennen.

Mit 26 Jahren begann Posch als Mitarbeiter im Verfassungsdienst und machte sich als Experte für Europarecht verdient. Er vertrat Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof, sein Verständnis für die Union sei ihm da zugutegekommen, erzählt ein Weggefährte: "Er weiß, wie Brüssel tickt."

Lopatka als Karrierekatalysator

Unter dem damaligen Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) wechselte der Jurist dann 2013 erstmals in ein politisches Kabinett, es folgten ähnliche Jobs für vier weitere schwarze oder türkise Minister. In den verschiedenen Büros wurde Posch als "Nerd unter den Kabinettlern" wahrgenommen, wird erzählt.

Der Karriere half der ÖVP-Politiker Reinhold Lopatka auf die Sprünge: "Ich habe ein gutes Wort für ihn eingelegt", sagt der Ex-Klubchef, der ebenfalls aus der Hartberger Gegend kommt, zum STANDARD. Leute aus seiner Region seien einiges gewohnt, davon brauche es mehr in der Politik, sagt er. "Wenn jemand gut ist, warum soll er dann nicht eine Chance bekommen?", findet Lopatka. Posch sei "sachorientiert, juristisch profund und belastbar". Ein anderer findet Posch "vorsichtig", was wohl auch der Grund sei, warum die Volkspartei Gefallen an ihm gefunden habe. Er sei jedenfalls kein Revoluzzer.

Juristen, die mit ihm gearbeitet haben, erklären, Posch klammere nicht an Buchstaben und Paragrafen, sondern versuche den Sinn des Gesetzes im Auge zu behalten. Der Verfassungsdienst, das wird sich unter Posch nicht ändern, zeigt rechtliche Grenzen auf – als Vertreter der Regierung lotet er sie aber auch aus.

Oldtimerfreund mit Netzwerk

Posch ist extrem öffentlichkeitsscheu und arbeitet, dem alten Ideal des strebsamen Staatsdieners folgend, im Hintergrund. Viel mehr als die Teilnahme an einer Oldtimer-Veranstaltung ist online jedenfalls nicht zu finden. Der Vater einer dreijährigen Tochter dränge sich sicher nicht ins Rampenlicht, erzählt ein Kenner. Er habe aber im Hintergrund ein gutes Netzwerk aufgebaut. Ohne das wird man wohl auch nicht Chef des Verfassungsdienstes. (Sebastian Fellner, 25.4.2020)