An ihm misst nicht nur der Bildungsminister den Abstand, den Taferlklassler halten müssen, wenn sie ihren Pausenvergnügungen nachgehen: der Baby-Elefant.

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Das Wiederaufsperren unserer pädagogischen Anstalten hat im Nu das heimische Straßenbild bereichert. ABC-Schützen, aufgeregt wie an ihrem allerersten Schultag, tragen Gesichtsmasken in bonbonbunten Farben. In den großen Pausen stampfen unsichtbare Baby-Elefanten durch die Klassenräume.

Sie halten die lebhaft herumtobenden Racker auf Abstand. Man hört die kleinen Dickhäuter, von Minister Faßmann mit befristeten Pandemie-Verträgen ausgestattet, gar nicht laut herumtrompeten. Nur manchmal saugen sie mit ihren langen, schartigen Rüsseln den Kindern die Bio-Snacks aus den Jausenboxen.

Als authentischer Babyboomer wurde ich in den späten Kreisky-Jahren Zeuge eines Mentalitätswechsels. In der Allgemeinbildenden Höheren Schule, die ich mit stark gezügelter Begeisterung besuchte, gebärdete sich eine Vielzahl der Pädagogen immer noch so, als kämen sie direkt von den Dreharbeiten zur "Feuerzangenbowle".

Ursache von Magensäure

Es gab unter den Paukern Stotterer; solche, die aus nichtigen Gründen zu brüllen begannen; und wiederum manche, die ausnahmslos alle Schüler, ungeachtet ihres Fleißes, als Ursache von Verdruss und übersäuerter Magenschleimhaut betrachteten.

Man tut gewiss gut daran, die bedingungslose Kinderliebe heutiger Lehrerinnen auch dann noch wertzuschätzen, wenn man nicht alle ihre umfangreichen Aufgabenlisten, gerichtet an die Adresse der Eltern ("Bitte nicht vergessen dem Kind mitzugeben: eine alte Küchenschürze, eine Tube Superkleber, zirka 30cm Gurke, in kaum fingerdicke Scheiben geschnitten, eine Schere mit ovalen Ohren...!"), gleichermaßen zu schätzen weiß.

Der exzentrischste meiner Professoren unterrichtete ein naturwissenschaftliches Fach. Er wurde von Jung und Alt "Onki" gerufen. Jemand musste ihm den mausgrauen Kunststoffmantel direkt auf den massiven Leib geschnitten haben, denn er trug das knisternde Textil wohl noch bei den privatesten Verrichtungen.

"Onkis" schnippische Art wich ausschließlich dann einem Ausdruck von Verklärung, wenn er auf die herrlichen Symphonien Anton Bruckners zu sprechen kam. Er glaube als Vertreter der mathematischen Weltauffassung zwar nicht an Gott; allein, wenn er Bruckner höre... Ganz bestimmt dachte dieser wackere Pädagoge dabei an den Zauber zwischenmenschlicher Nähe. Zumindest ging hartnäckig das Gerücht um, eine Schülerin wäre durch "Onkis" pädagogisches Engagement in gesegnete Umstände geraten.

Aber war es nicht schon immer so? Wann immer man sie wirklich braucht, sind einfach keine Baby-Elefanten zur Hand. (Ronald Pohl, 20.5.2020)