Ein Rettungsring schützt vor dem Ertrinken. Das sichere Ufer ersetzt er nicht.

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Noch ist kein Land in Sicht. Bis sich die heimische Wirtschaft wieder auf sicherem Terrain bewegt, dürften noch viele Monate verstreichen. Zumindest legt das eine Umfrage nahe, deren Ergebnisse die Vertreter von Hoteliervereinigung, Handelsverband, Gewerbeverein, Senat der Wirtschaft und Forum EPU am Mittwoch vorgestellt haben.

Insgesamt 650 Unternehmen aus Hotellerie, Handel, Gewerbe und anderen Branchen haben an der Befragung teilgenommen. Das Ergebnis prophezeit eine veritable Wirtschaftskrise, die sich mindestens über das nächste Jahr erstrecken wird. Denn nicht nur die Umsätze brechen heuer massiv ein – im Schnitt erwarten alle Befragten fast 500.000 Euro weniger Umsatz als geplant. Österreichische Betriebe steigen auch bei den Investitionen auf die Vollbremse – und das nicht nur heuer.

Weniger Investitionen

In Zahlen: Rund 354.000 Euro weniger wollen die befragten Unternehmen, die im Schnitt 48 Mitarbeiter beschäftigen, im laufenden Jahr durchschnittlich investieren. Allerdings könnte die Delle bei den Investitionen im kommenden Jahr noch einmal deutlich anwachsen. Denn für 2021 erwarten die befragten Betriebe, im Schnitt um rund 467.000 Euro weniger zu investieren, als bisher geplant. Das sind 64 Prozent des geplanten Investitionsvolumens.

Oliver Fritz vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) erklärt das so: "Die Unternehmen rechnen damit, im kommenden Jahr ihre Wunden zu lecken – sofern sie die Krise überleben." Eher als an Investitionen denke man derzeit darüber nach, wie man etwaige Verluste wiederaufholen kann.

Für die heimische Wirtschaft wäre eine Investitionsklemme jedenfalls fatal. Fritz veranschaulicht dies am Beispiel der Hotellerie, wo der erwartete Investitionsrückgang im kommenden Jahr mit fast einer Million Euro pro Betrieb besonders hoch ausfällt. "Der Großteil der Investitionen in der Hotellerie sind Bauinvestitionen", erklärt Fritz. Stecken Hoteliers kein Geld in Bauprojekte, heißt das, dass die Bauwirtschaft weniger Aufträge bekommt. Das wiederum bekämen auch Baunebengewerbe wie etwa Elektriker oder Tapezierer zu spüren.

Schlechtes Zeugnis für Hilfen

Die geplanten Investitionen für das laufende und kommende Jahr fallen in den einzelnen Branchen freilich unterschiedlich aus. Ein recht einheitliches Bild ergibt sich allerdings, wenn es um die Bewertung der Corona-Maßnahmen der Regierung geht.

Rund zwei Drittel aller befragten Unternehmen verzweifeln laut Umfrage an dem Rettungsschirm. Davon glauben 26 Prozent, dass die Maßnahmen helfen würden, wenn endlich Geld käme. Acht Prozent finden die Maßnahmen für die jeweilige Branche nicht passend. Ein Drittel hält unterdessen gar nichts von den Maßnahmen.

Es brauche vor allem Eigenkapitalspritzen, um die Solvenz der Betriebe zu garantieren, forderten die Vertreter der freien Arbeitgeber bei der Präsentation der Umfrage. Hans Harrer, Vorstandsvorsitzender des Senats der Wirtschaft – eines freiwilligen Verbands mit 600 Mitgliedern aus Industrie, Handel, Gewerbe und Dienstleistung –, appellierte an die Bundesregierung, das Feedback aus den Unternehmen ernst zu nehmen um rasch gegenzusteuern und Schlimmeres zu verhindern. Sonst würden eine Insolvenzwelle und Arbeitslosigkeit drohen.

Kritik wird widersprochen

Der Kritik, man würde die freien Verbände beim Schnüren von Hilfsmaßnahmen zu wenig einbeziehen, widerspricht die Regierung. Man stehe beispielsweise mit Handelsverband und EPUs in regelmäßigem Austausch, sagt ein Sprecher des Finanzministeriums dem STANDARD.

Neben einem stärkeren Gehör vonseiten der Regierung fordern die Verbände, dass auch die Wirtschaftskammern ihre Rücklagen zugunsten der hart betroffenen Unternehmen zurückgeben. 1,4 Milliarden Euro an Kammerrücklagen von den Unternehmen seien genau für derartige Krisenfälle für Betriebe da. Bei der WKO sieht man das anders. Durch die Rezession würden auch die Beiträge stark einbrechen. Dies lasse die Rücklagen deutlich dahinschmelzen. Zudem seien diese teils gesetzlich gebunden. (Aloysius Widmann, 3.6.2020)