In der Schweiz belegt die Ausbildung zur Fachfrau bzw. zum Fachmann Gesundheit mittlerweile den zweiten Platz beim Ranking der beliebtesten Lehrberufe.

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Beim Pflegepersonal herrscht schon jetzt akuter Mangel. In Zukunft könnte sich dieser noch verschärfen. Laut Prognosen wird die Zahl der betreuten Personen um 37 Prozent auf rund 305.000 ansteigen, der Personalbedarf um 75.700 auf 161.000 steigen. Als erste Maßnahme wurde für das kommende Schuljahr ein Schulversuch zur Pflegeausbildung an berufsbildenden höheren Schulen (BHS) eingerichtet. An insgesamt elf BHS können rund 300 Schüler mit einer drei- und fünfjährigen Pflegeausbildung beginnen.

Die Arbeiterkammer begrüßt diese Möglichkeit als "ersten Schritt in die richtige Richtung", der Bedarf an Pflegepersonal könne so aber nicht gedeckt werden. Auch das Hilfswerk Österreich, einer der größten Anbieter gesundheitlicher, sozialer und familiärer Dienste, zeigt sich erfreut über den Schulversuch, gleichzeitig wird vom Hilfswerk aber auch die Einführung eines Pflegelehrberufs gefordert. Als Vorbild könne das Schweizer Modell sein, sagt Geschäftsführerin Elisabeth Anselm bei einer Pressekonferenz.

Seit 2004 kann in der Schweiz eine Pflegelehre absolviert werden. Die Ausbildung zur Fachfrau bzw. zum Fachmann Gesundheit belegt mittlerweile den zweiten Platz beim Ranking der beliebtesten Lehrberufe. Nach der zweijährigen dualen Grundausbildung ist man Assistent Gesundheit und Soziales, nach vierjähriger Ausbildung Fachmann bzw. Fachfrau Gesundheit.

Pflegelehre als Antwort

Dem Mangel an Pflegekräften will auch die hiesige Regierung entgegenwirken. Das Regierungsprogramm sieht deshalb die "Einführung einer Pflegelehre PFA unter Berücksichtigung eines altersspezifischen Curriculums" vor. Kritik daran kommt vor allem von Arbeiterkammer und der Gewerkschaft. Sie sehen das jugendliche Alter von Lehrlingen, die dann schon mit 15 Jahren mit dem herausfordernden Feld der Pflege konfrontiert wären, als Problem. Zwar wurde diesem Kritikpunkt bei den Verhandlungen über einen Lehrberuf bereits Rechnung getragen. Und auch für die Lehre soll – so wie schon jetzt gesetzlich verankert – die Arbeit mit und am Patienten erst mit 17 Jahren erfolgen, dennoch sind aus Sicht der Arbeiterkammer noch viele Punkte offen. Allen voran brauche eine attraktive Pflegeausbildung berufliche Entwicklungschancen, Durchlässigkeit der Ausbildungen sowie Aussicht auf angemessene Bezahlung bei der Ausbildung, heißt es dazu in einer Aussendung.

Noch kritischer sieht es Hanna Mayer, Vorständin des Instituts für Pflegewissenschaften an der Universität Wien. Eine Pflegelehre einzuführen ist für sie angesichts der komplexen und anspruchsvollen Aufgaben in der Pflege weder bildungspolitisch noch berufspolitisch sinnvoll. Aus ihrer Sicht brauche es aber verstärkt andere Zugänge zu Pflegeberufen. Denn gerade die Zielgruppe der Erwachsenen, die sich auf dem ersten oder zweiten Bildungsweg dazu entschließen, sollten angesprochen werden. Zwar sind auch Schüler des Pflegeschulversuchs an berufsbildenden höheren Schulen noch jung, im Sinne der Durchlässigkeit sei diese Ausbildung anders zu bewerten.

Für Verwirrung ist aber auch ohne Pflegelehre gesorgt. So gibt es seit 2016 an den Pflegeschulen die einjährige Ausbildung zur Pflegeassistenz und die zweijährige Ausbildung zur Pflegefachassistenz. Beide beginnen nach der neunten Schulstufe. Die Ausbildung an einer berufsbildenden höheren Schule beginnt nach der achten Schulstufe und dauert drei beziehungsweise fünf Jahre. Der Lehrberuf wiederum beginnt nach der Pflichtschule und soll drei Jahre dauern. (Gudrun Ostermann, 9.6.2020)