Schon für den früheren FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache war Oberösterreichs Landesvize Manfred Haimbuchner ein Ministerkandidat. Nur: Dieser wollte nicht.

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Wenn man Oberösterreichs Landesvize Manfred Haimbuchner (FPÖ) in den letzten Wochen zuhörte, beschlich einen das Gefühl, dass ihm sein Bundesland langsam, aber sicher zu klein wird. Anfang Mai startete er so nebenbei die Kampagne "Österreich entfesseln". Haimbuchner ärgert sich in Facebook-Videos über die Verfehlungen der Bundesregierung in der Corona-Krise. Er spricht Probleme an, die angegangen werden müssten, und fordert beispielsweise das Ende des Rauchverbots für die kriselnde Gastronomie. Laut wird er dabei nie.

Die Kampagne wirkt staatstragender als die seiner Bundeskollegen. Der 41-jährige Haimbuchner lässt sich gut abgelichtet abbilden. In einem Video geht er durch eine Werksruine, "die uns den Zustand unseres Landes nach Corona bewusstmacht", während FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl mit Comic-Viren in schrillen Farben gegen den "Corona-Wahnsinn" wettert.

Man könnte meinen, da wolle jemand bewusst Österreich und nicht mehr nur Oberösterreich entfesseln. Dies zu einer Zeit, in der die Führungsfrage zwischen Kickl und dem in der Krise stillen Parteichef Norbert Hofer nach außen hin noch nicht vollends geklärt zu sein scheint.

Die Personalreserve

Als Personalreserve für höhere Weihen gilt Haimbuchner schon lange. An Angeboten mangelte es in der Vergangenheit offenbar auch nicht. Schon der frühere Parteichef Heinz-Christian Strache sah in Haimbuchner einen türkis-blauen Ministerkandidaten. Vor allem für den Bereich Infrastruktur, aber auch als möglicher Kandidat für die Ministerien Inneres oder Justiz soll er innerhalb der Freiheitlichen zumindest angedacht gewesen sein, wie DER STANDARD erfuhr. Haimbuchner zierte sich nicht. Er wollte nicht. Weder in die Regierung noch nach Wien. Zumindest behauptet er das. "Ich bin meinem Bundesland im Wort", sagt Haimbuchner. "Es gibt nichts, was mich aus Oberösterreich herausbewegen könnte." Doch das sagen Fußballer auch, bevor sie den Verein wechseln.

Nur für drei Jahre wagte sich Haimbuchner bisher auf das Wiener Politikparkett. Mit jungen 28 Jahren zog er 2006 in den Nationalrat ein. Ein wenig ins mediale Rampenlicht geriet der Rechtsanwaltsanwärter, weil er gemeinsam mit Ewald Stadler für die FPÖ den Eurofighter-U-Ausschuss betreute. Nachdem sich Stadler mit den Blauen überworfen hatte, wurde Haimbuchner Ausschusssprecher.

Manfred Haimbuchner und Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache schätzten einander in der FPÖ. Im Sommer nach der Ibiza-Affäre besuchte Strache Haimbuchner in Oberösterreich.
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Eine Sitzung musste wegen Haimbuchner fast unterbrochen werden, weil er bei den Brötchen einer Frauenveranstaltung im Parlament zugriff und diese laut der früheren ÖVP-Fraktionsführerin Maria Fekter "primär den Frauen zur Verfügung stehen". Danach reichte Haimbuchner den Frauen im Ausschuss das Tablett.

Ansonsten hätte sich der junge Abgeordnete im U-Ausschuss nicht besonders hervorgetan, sagt Stadler. "Die Fragen wurden ihm vom Klub vorbereitet und brav gestellt", urteilt er. An sich sei Haimbuchner ein angepasster Typ, der mehr zur ÖVP passen würde. Sein Vater hingegen sei in seiner aktiven Zeit als Politiker ein gestandener Freiheitlicher und Kämpfer für die Heimatvertriebenen gewesen. Letzteres hat auch Haimbuchner in seiner Vita. Im Nationalrat war er blauer Vertriebenensprecher, Wirbel gab es 2011 rund um die Mitgliedschaft Haimbuchners beim Witikobund, einem sudetendeutschen Vertriebenenverband, der laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) weit rechts außen angesiedelt ist.

Haiders Besuch

Über Vater Lambert Haimbuchner werden im Zuge der Recherche große Geschichten erzählt. Er war 24 Jahre lang Bürgermeister von Steinhaus, Haimbuchners Heimatgemeinde nahe Wels, und wird selbst von politischen Konkurrenten geschätzt. 1979 wurde er mit Stimmen von FPÖ und SPÖ Ortschef. Der gelernte Bauleiter soll Betriebe nach Steinhaus gebracht, Straßen bis zum letzten Bauernhof asphaltiert und sogar Pläne für die Häuser der Ortsbewohner gezeichnet haben. "Man hat alles von ihm haben können, was man gebraucht hat", erzählt ein langjähriger Gemeinderat.

Lambert Haimbuchner wurde selbst vom einstigen FPÖ-Chef Jörg Haider besucht. "Der Gemeindesaal war rammelvoll", erinnert sich Stadler. Über seinen Sohn sagte Vater Lambert in den Oberösterreichischen Nachrichten einmal: "I hab eahm nie ane vepassen müssen."

Der Sohn ist mit Steinhaus und seiner Familie eng verwurzelt. Er folgte seinem Vater nicht nur 2003 als FPÖ-Ortvorsitzender nach, als dieser sein Amt niederlegte, er baute sein Haus direkt neben das seiner Eltern. Sogar ein Chauffeur Haimbuchners ist Steinhauser und wie Haimbuchner im Gemeinderat, weshalb er regelmäßig an Sitzungen teilnimmt.

Manfred Haimbuchners Elternhaus sei kein "typisch politisches" gewesen, erzählt er. Sein Vater sei kein Ideologe. Der Großvater väterlicherseits war ein sozialdemokratischer Mesner, die Großmutter eher christlich-sozial. Haimbuchners Onkel hingegen sei ideologischer als der Vater gewesen, erzählt Haimbuchner. Der ehemalige FPÖ-Fraktionsobmann soll aber das politische Talent seines Vaters erkannt haben.

Prägende Schulzeit

Besonders prägend war für den jungen Manfred die Schulzeit. Zu Zeiten von Haiders Aufstieg in den 1990ern war er an einem Bundesgymnasium in Wels. Er galt als ehrgeiziger und interessierter Schüler, der sich nie politisch exponiert haben soll, wiewohl so ziemlich jeder über seinen Vater Bescheid wusste. Haimbuchner belastete die "Schlagseite" in Richtung FPÖ in den Unterrichtsstunden. 20 Jahre nach seiner Matura ist es dann Haimbuchner, der eine Online-Meldestelle gegen parteikritische Lehrer einrichten ließ. Über diese Erfahrung lässt sich der schwer fassbare Stil Haimbuchners vielleicht am besten beschreiben. Er ist ein ruhiger Charakter, der aber auch zu scharfen Tönen greift, wenn er beispielsweise die Polizei in der Flüchtlingskrise mit "Schleppern" verglich, vor Terroranschlägen durch eine "Islamisteninvasion" warnte und einen Zuzugsstopp explizit für Muslime forderte.

Widersprüchliche Linie

Haimbuchner, derzeit Vizechef der Blauen, glaubt nicht, dass er Parteiobmann werden muss, um die FPÖ mitzugestalten. Für eine innerparteiliche Kontroverse sorgte er, als er eine Distanzierung der FPÖ zur AfD und Marine Le Pen (Rassemblement National) aufgrund ihrer EU-kritischen Haltung einforderte.

Retrospektiv ergaben sich auch Widersprüche. Zwar ärgert sich Haimbuchner über den rechten "Narrensaum" in seiner Partei, er ließ ihn aber auch so lange gewähren, bis es nicht mehr ging. Einer seiner Büromitarbeiter in der Landespartei musste seine Anteile am Magazin Info-Direkt, das eine gewisse Nähe zu den rechtsextremen Identitären aufweist, erst abgeben, als eine Spende des Christchurch-Attentäters an Identitären-Chef Martin Sellner bekannt wurde. Die in der FPÖ Linz gut verankerte Burschenschaft Arminia Czernowitz schmiss die Identitären aus demselben Grund aus deren Villa.

Nach der Ibiza-Affäre forderte Haimbuchner zudem die Aufkündigung der FPÖ-Kooperation mit der Putin-Partei Einiges Russland. Als der ehemalige blaue Linzer Vizebürgermeister Detlef Wimmer 2016 mit einer Delegation um Hofer und Co zur Unterzeichnung des Abkommens nach Moskau reiste, war von Haimbuchner nichts zu hören.

Innerparteilich greift Haimbuchner schon einmal zum Telefon, wenn ihm etwas nicht passt. Als statt ihm die spätere Dritte Nationalratspräsidentin und Oberösterreicherin Anneliese Kitzmüller am türkis-blauen Verhandlungstisch saß, empfand er das als Affront, was er Strache auch gesagt haben soll. Haimbuchner schätzt Strache aber. Im Sommer nach der Affäre lud er ihn zu sich ein. Und das obwohl Haimbuchner einer der Ersten gewesen sein will, der nach Ibiza die Führung Straches für beendet erklärte.

Stütze für Hartinger-Klein

In den blauen Ministerien war kein einziger Oberösterreicher an relevanter Stelle, das hätte auch anders kommen können. Haimbuchner wollte der damaligen Gesundheits- und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein die oberösterreichische Fachärztin und freiheitliche Gesundheitssprecherin Brigitte Povysil als Staatssekretärin zur Seite stellen, damit Hartinger-Klein das riesige Ressort leichter stemmen hätte können. Das soll aber nicht an Straches Ablehnung gescheitert sein, sondern an der begrenzten Postenanzahl der FPÖ.

Nach der Ibiza-Affäre haben Haimbuchner und seine Oberösterreicher in der FPÖ an Gewicht gewonnen. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Haimbuchner und dem Welser Bürgermeister Andreas Rabl im Parteireformprozess eminente Rollen zukommen.

Ein Wegbegleiter Haimbuchners glaubt nicht daran, dass dieser einen Absprung plant. Mit einem Wechsel vor der Wien-Wahl wäre er nicht gut beraten. Haimbuchners Kampagne wird eher als Vorläufer für die Oberösterreich-Wahl 2021 gesehen. Da muss der Landesvize 30 Prozent und eine Regierungsbeteiligung verteidigen. Ein Abschied Haimbuchners wird als Risiko für ein positives Ergebnis gesehen. Er solle dort bleiben, wo er ohnehin am liebsten ist: Oberösterreich. (Jan Michael Marchart, 9.6.2020)