Der Vorsitzende des U-Ausschusses, Wolfgang Sobotka (ÖVP), will das Ibiza-Video nicht vom Anwalt des mutmaßlichen Drahtziehers haben.

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Wien – Der Ibiza-Untersuchungsausschuss wird sich das Ibiza-Video nicht von dem mutmaßlichen Drahtzieher Julian H. übermitteln lassen. Ein entsprechendes Angebot von dessen Anwalt Johannes Eisenberg hat der Ausschussvorsitzende Wolfgang Sobotka (ÖVP) ausgeschlagen, wie er am Montag bei einer Pressekonferenz – im Einklang mit Verfahrensrichterin Ilse Huber und Verfahrensanwalt Andreas Joklik – mitteilte. Sobotka berief sich in seiner Haltung auf die Rechtsmeinung des parlamentarischen Legislativdiensts; bei den Beratungen war auch Sektionschef Christian Pilnacek aus dem Justizministerium dabei.

Beweismittel ist nicht gleich Beweismittel

Demnach sei die Annahme des Videoangebots unzulässig, weil der Oberste Gerichtshof bereits festgestellt habe, dass das Video rechtswidrig hergestellt wurde und eine Weitergabe strafbar sei. Zudem dürfe ein Beweismittel dem Untersuchungsausschuss nicht direkt von einem Dritten zugestellt werden, sondern müsse von den Behörden übergeben werden. Es sei in der Verfahrensordnung des Ausschusses eben ein wichtiger Unterschied, ob ein Beweismittel von einem Anwalt oder einer Behörde vorgelegt werde, betonte auch die Verfahrensrichterin, wiewohl sie relativierend beifügte, dass sich über "Gesetzesauslegung immer streiten" lasse. Man müsse aber bedenken, dass der Mandant des deutschen Anwalts selbst in ein Strafverfahren zu Ibiza verwickelt sei und die Herkunft des Videos somit zweifelhaft sei.

Sobotka forderte Eisenberg auf, sich direkt an die Behörden zu wenden. Das tat dieser allerdings bereits vergangene Woche, wie sein Brief – der dem STANDARD vorliegt – zeigt. So schickte Eisenberg auch eine E-Mail an Thomas Sperlich, den Kabinettschef von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) mit Bitte um Weiterleitung an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). An Sobotka adressiert schreibt Eisenberg: "Das letzte Schreiben vom 11. 6. 2020 haben Sie mir gegenüber nicht beantwortet. Stattdessen musste ich am Nachmittag des Einsendetags einen Bericht über mein Schreiben zunächst in der 'Kronen Zeitung' lesen." Er versteht nicht, dass sein Angebot abgelehnt wurde: "Ich habe langjährige Erfahrungen mit Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages und verschiedenen Länderparlamenten in Deutschland. Dass dort Beweismittel von 'Privaten' nicht entgegengenommen würden, habe ich noch nicht erlebt."

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Opposition sieht Annahme des Videos rechtlich gedeckt

Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper kann die Entscheidung nicht nachvollziehen. Es sei zwar richtig, dass das Ibiza-Video laut OGH rechtswidrig hergestellt wurde, aber das gelte sowohl für das von dem Anwalt angebotene Video als auch für das von den Behörden beschlagnahmte Video. Relevant sei für die Verfahrensordnung des Ausschusses nur, ob die Erlangung – nicht die Erstellung – des Videos strafrechtlich relevant sei, und dafür gebe es im Fall von Julian H. und seinem Anwalt keine Hinweise. Auch SPÖ und FPÖ hätten das Angebot gerne angenommen und sahen das durch die Verfahrensordnung gedeckt; die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli war beim Treffen am Montagmorgen nicht zugegen und "offiziell entschuldigt". Die Entscheidung liege aber ohnehin bei Sobotka, so Tomaselli.

Anwalt nicht kontaktiert: Soko Tape kontert Kritik

Neos-Abgeordnete Krisper kritisierte weiters, dass die Soko Tape gar nicht erst bei H.s Anwalt um das Video angefragt habe, wodurch das Verfahren verlangsamt worden sei. Aus dem Umfeld der Soko Tape wird gegenüber dem STANDARD allerdings darauf verwiesen, dass Eisenberg ausschließlich mit der Staatsanwaltschaft Wien kommuniziert habe. In seinen Schriftsätzen habe er er auch prophylaktisch abgestritten, dass sein Mandant mit dem Ibiza-Video zu tun habe, weswegen die Soko nicht in Erwägung gezogen habe, bei Eisenberg wegen des Clips anzufragen. Bei der Soko glaubt man zudem nicht, dass er das Video geliefert hätte, wenn es die Soko nicht anderweitig gefunden hätte.

Zwischen Soko Tape und Anwalt Eisenberg herrscht frostige Stimmung, Letzterer bezeichnete die Polizeikommission in seinem Brief an Sobotka sogar als "Fälscherwerkstatt".

Abgeordnete wollen Video selber besorgen

Krisper führt indes an, dass es schon zu Vergleichszwecken sinnvoll sei, sich beide Videos zu Gemüte zu führen – sowohl jenes, das bei der Soko Tape liegt, als auch jenes, das Eisenberg anbot.

Die Neos-Abgeordnete erwägt nun, selbst mit dem Anwalt Kontakt aufzunehmen und das Video dem Untersuchungsausschuss dann als Beweismittel vorzulegen.

Einen ähnlichen Plan scheint auch die FPÖ zu hegen. Der blaue Fraktionsführer Christian Hafenecker bezeichnete den Verzicht auf das Angebot als "Farce" und kündigte an: "Wir klären die Sache nun selbst."

"Schönheit der Verfahrensordnung"

Ob diese Variante der Einbringung durch Abgeordnete zulässig ist, darauf wollte sich Sobotka nicht festlegen. Verfahrensanwalt Joklik sagte, man werde auch diese Frage gegebenenfalls klären, er baue hier – in Anlehnung an eine Formulierung des Bundespräsidenten – ganz auf die "Schönheit der Verfahrensordnung". Sobotka hofft darauf, dass das Video möglichst rasch von den Staatsanwaltschaften geprüft wird und dann seinen Weg zu den Abgeordneten in den Untersuchungsausschuss findet. (ta, fsc, 15.6.2020)