Die vergangenen Wochen hat der deutsche AUA-Chef Alexis von Hoensbroech, studierter Astrophysiker, in Dauerverhandlungen über ein Hilfspaket der Republik Österreich verbracht. Heraus kam: 150 Millionen Euro Zuschuss vom Staat, ebenso viel von Mutter Lufthansa und 300 Millionen Euro staatlich garantierter Kredit.

STANDARD: Wie stehen die Sterne für die AUA?

Hoensbroech: Seit dieser Woche besser. Die Krise hat uns kalt erwischt, die Airline-Branche ist so schlimm betroffen wie sonst kaum eine Branche. Das Erlebnis, ein Unternehmen zu führen, das 7000 Mitarbeiter beschäftigt und null Euro Umsatz macht, brauche ich nicht so schnell noch einmal.

STANDARD: Werden die 600 Millionen Euro reichen?

Hoensbroech: Die AUA ist mit dem Geld dauerhaft gerettet. Sie war ja vor der Corona-Krise kein Sanierungsfall, sondern seit sieben Jahren in der Gewinnzone.

AUA-Chef Alexis von Hoensbroech hält das Rettungspaket für die Airline für ökologisch wie ökonomisch nachhaltig.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: 2019 hat sie 19 Millionen Euro Gewinn geschrieben.

Hoensbroech: Das war natürlich nicht genug, aber die AUA hat sich grundsätzlich gut entwickelt. Die jetzige Situation ist allein der über uns hereingebrochenen Naturkatastrophe zuzuschreiben. Wir mussten ein Paket schnüren, um die Insolvenz zu vermeiden – und das ist so angelegt, dass das Geld reicht. Unseren Businessplan haben Regierung, Öbag, Cofag, sechs Banken studiert und alle ihre Berater und Wirtschaftsprüfer. Im Datenraum waren 60 Experten, wir haben hunderte Fragen beantwortet. Das ist also wahrscheinlich der bestgeprüfte Businessplan, den die Republik je gesehen hat.

STANDARD: Bedient die AUA den Kredit nicht, fällt sie ins Eigentum des Staates. Alle Aktien und die 40 eigenen Flieger verpfändet?

Hoensbroech: Ja. Wie das so ist: Wenn man Geld braucht, muss man alles hergeben, was man hat.

STANDARD: Aber Flieger sind doch derzeit nicht viel wert?

Hoensbroech: Vor der Krise standen sie mit rund 500 Millionen Euro in den Büchern, in der Krise brachen die Preise ein. Selbst wenn man vom halben Wert ausgeht, ist der Kredit weitgehend abgesichert, der Steuerzahler würde im Ernstfall nicht draufzahlen.

STANDARD: Die AUA-Mitarbeiter verzichten für fünf Jahre auf 300 Millionen Euro. Sie sagen, in den nächsten zwei Jahren werde es keine Kündigungen geben, danach müsse man schauen, dass die AUA "die richtige Dimension bekommt". Wie viele Jobs wird die kosten?

Hoensbroech: Unser Ziel sind 80 Prozent der früheren Unternehmensgröße im Jahr 2022. Da hätten wir dann aus jetziger Sicht 1100 Mitarbeiter zu viel. Wir planen zwei Jahre Kurzarbeit, so lange kann es keine Kündigungen geben, und wir gehen davon aus, dass wir einen großen Teil des Abbaus bis 2022 über die Fluktuation erreichen. Nur zum Vergleich: Ohne Hilfspaket wären wir in eine Sanierung mit Eigenverwaltung oder in eine echte Insolvenz gerutscht. Bei der Sanierung hätten wir 2.500 Mitarbeiter sofort kündigen müssen, bei einem Konkurs den Großteil der Mitarbeiter. Das Hilfspaket ist ein großer gemeinschaftlicher Kraftakt von Mitarbeitern, Banken, Regierung, Lieferanten, Flughafen, Lufthansa, Steuerzahlern. Wir sind sehr dankbar dafür.

STANDARD: Welchen Beitrag leisten Vorstand und Management?

Hoensbroech: Boden- und Bordpersonal verzichten nach der Kurzarbeit auf bis zu 13 bzw. 15 Prozent. Der Vorstand auf 15 Prozent des Grundgehalts, Boni wird es wohl nicht geben. Ich werde auf deutlich mehr als die Hälfte meines bisherigen Gesamteinkommens verzichten. Muss keiner Mitleid mit mir haben, aber der Beitrag des Vorstands ist signifikant.

STANDARD: Die AUA schuldet ihren Kunden Geld für die Rückerstattung von Tickets für gestrichene Flüge. Wann zahlen Sie das?

Hoensbroech: Es stimmt, da geht es um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag, und natürlich zahlen wir das zurück. Wir sind in Verzug geraten, denn wir haben Zehntausende von Anträgen bekommen, und gleichzeitig waren unser Mitarbeiter in Kurzarbeit. Jetzt arbeiten die Servicecenter auf Hochdruck, wir zahlen wöchentlich Millionen zurück. Aber es wird noch viele Wochen dauern, bis wir alles abgearbeitet haben.

STANDARD: Die AUA muss ihren CO2-Ausstoß bis 2030 um 30, den Lärm um 60 Prozent reduzieren. Kurzstrecken, auf denen die Bahn unter drei Stunden fährt, werden abgeschafft. Gute Vorgaben?

Hoensbroech: Das war bei den Verhandlungen sehr wesentlich, man sagt ja, den Grünen sei es schwer gefallen, eine Fluggesellschaft zu retten. Aber nicht nur den Grünen ist Ökologie ein Thema, sondern auch mir. Auch Leute, die für Airlines arbeiten, sind Menschen und Bewohner dieses Planeten. Wir haben versucht, einen ökologisch nachhaltigeren Weg zu finden, der auch ökonomisch nachhaltig ist, und das Paket ist gelungen.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat klargemacht, dass die Abschaffung der Kurzstrecke eine Kann-Bestimmung ist im Vertrag mit der Republik – kein Muss.
Foto: APA/Schlager

STANDARD: Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagt, die AUA werde in nächster Zeit keine Flieger kaufen. Vom Umrüsten auf umweltfreundlicheres Fluggerät keine Spur?

Hoensbroech: Kurzfristig haben wir kein Geld für Flottenerneuerung, aber wir haben ja Zeit bis 2030. Bis dahin schaffen wir das.

STANDARD: Und die Drei-Stunden-Kurzstrecken-Regelung ist laut Spohr keine Muss-Bestimmung …

Hoensbroech: Ja, aber wir wollen uns daran halten. Gibt es eine Zugverbindung direkt zum Flughafen Wien, die deutlich unter drei Stunden liegt, wollen wir die Strecke einstellen. Das betrifft derzeit nur Salzburg–Wien. Sobald wir unseren Flugbetrieb wieder aufnehmen, tun wir das ohne Salzburg. Graz, Klagenfurt, Innsbruck fliegen wir weiterhin. Wenn Semmering- und Koralmtunnel fertig sind, kann es auch Graz und Klagenfurt treffen. Das wird aber erst 2027 der Fall sein.

STANDARD: Die Landeshauptleute regen sich schon auf.

Hoensbroech: Ich habe Verständnis für ihre Position. Bis 2027 ist aber noch Zeit.

STANDARD: Wie hoch ist Ihr Schaden aus dem Lockdown insgesamt?

Hoensbroech: Sehr, sehr hoch. Normalerweise machen wir im Quartal 600 Millionen Umsatz, den werden wir auch nach dem Lockdown noch lange nicht erreichen. Die 150 Millionen Zuschuss sind also ein Teilschadenersatz.

STANDARD: Der Staat wollte sich an AUA bzw. Lufthansa beteiligen, das kam nicht. Sie waren sehr gegen eine AUA-Beteiligung. Froh, den Staat draußen zu wissen?

Hoensbroech: Eine solche Beteiligung hätte allenfalls auf der Ebene der Lufthansa Sinn gemacht. Auf AUA-Ebene hätte sie konzernintern Nachteile gebracht. Denn es wären aus Ertragsgründen Anreize geschaffen worden, Passagiere statt über Wien über andere Lufthansa-Drehkreuze zu schicken. Deswegen ist die Regierung schnell von der Idee abgerückt. Eine Beteiligung war nicht vorrangig im Fokus der Regierung, und als mehrheitlich staatliche Gesellschaft war die AUA einst auch nicht unbedingt eine Erfolgsgeschichte. Im Eigentum der Lufthansa hat sie sich besser entwickelt, und das ist eigentlich auch klar: Denn für ihren Heimatmarkt Österreich ist die AUA eigentlich zu groß, weil nur ein Viertel unserer Passagiere Österreicher sind, drei Viertel Ausländer. Dafür braucht man einen starken Marktzugang, und den kann man mit einem Partner wie der Lufthansa besser erreichen als auf sich allein gestellt. Die eigentliche Dividende der AUA-Rettung ist der Erhalt des Drehkreuzes Wien. An der AUA hängt eine Wirtschaftsleistung von rund fünf Milliarden Euro im Jahr, und dafür werden einmalig 150 Millionen Euro in die Hand genommen. Das ist kein schlechtes Investment.

STANDARD: Aber nicht wenig Geld.

Hoensbroech: Wir haben ja nichts bekommen, was nicht andere auch bekommen können, andere Unternehmen können beispielsweise einen Fixkostenzuschuss beantragen für Corona-bedingte Schäden. Bei uns ist das Hilfspaket nur wegen seiner Größe ein Stück Manufaktur, wir konnten das nicht einfach bei Finanz Online einreichen. Bei uns gab es schwierige und lange Verhandlungen, bei denen die Positionen anfangs sehr weit auseinander lagen. Die Lösung ist sehr ausgewogen, und darauf sind wir auch sehr stolz. Wir sind auch dankbar dafür und demütig, denn mit Steuergeld muss man mindestens so sorgfältig umgehen wie mit eigenem.

STANDARD: Enttäuscht, dass sich die Lufthansa so lang geziert hat, bis sie sich zu einem Zuschuss für ihre Tochter AUA bereiterklärt hat?

Hoensbroech: Nein, für Enttäuschung gab es keinen Grund. Die Lufthansa war ja selbst in einer Existenzkrise und hat sich sehr rational und professionell verhalten. Es war klar, dass wir ein Gesamtpaket brauchen – und das haben wir in unserem Team auch hinbekommen.

Die Regierungsmitglieder Leonore Gewessler, Gernot Blümel, Sebastian Kurz, Werner Kogler und Magnus Brunner bei der Verkündung der AUA-Rettung.
Foto: APA/Punz

STANDARD: Die Regierung rühmt sich für den auf zehn Jahre abgeschlossenen Vertrag über eine Standortgarantie, in der neben Erhalt des Drehkreuzes, der Marke AUA und des Headquarters Wien auch festgeschrieben ist, dass der Hub Wien im gleichen Ausmaß wachsen muss wie München, Frankfurt und Zürich. Diese Wachstumszusage gilt laut Lufthansa-Chef Spohr aber nur bis 2023.

Hoensbroech: Genau. Das heißt, dass beim sukzessiven Hochfahren des Flugbetriebs der Hub Wien nicht benachteiligt werden kann. Danach werden wir auch weiterwachsen, aber dieses Wachstum werden wir dann wieder selbst finanzieren müssen.

STANDARD: Die irische Ryanair wollte gerade die Niederlassung ihren österreichischen Tochter Laudamotion in Wien sperren und alle Leute rauswerfen; in letzter Minute hat man sich auf einen Kollektivvertrag geeinigt. Billigairlines zahlen zum Teil Hungerlöhne. Was hielten Sie von einem Branchen-KV?

Hoensbroech: Ich denke, die Wirkung wird stark überschätzt. Airlines würden dann eben mit billiger arbeitenden Mitarbeitern aus Polen oder Bulgarien von außen reinfliegen. Anderseits hielte ich es für richtig, würden für in Österreich angestelltes Personal Mindeststandards gelten. Ein Branchen-KV wäre ein Weg, den es nirgendwo sonst gibt. Aber die österreichische Regierung ist auch die einzige, die für Flugtickets ein Anti-Dumping-Gesetz einführt, also eine Mindestpreisregelung. Ich begrüße das sehr, das kann ein sehr wirkungsvoller Schritt sein. Denn bei den Flugticketpreisen gab es in unserer Branche zuletzt echte Exzesse, die weder ökonomisch noch ökologisch noch politisch klug sind.

STANDARD: Sie sind gerade in Deutschland. Geflogen?

Hoensbroech: Mit dem Auto gefahren, weil die AUA noch nicht fliegt. Außerdem sind wir mit fünf Kindern unterwegs, da ist Fliegen immer etwas aufwendig. (Renate Graber, 13.6.2020)