Tirols Grünen-Chefin Ingrid Felipe gerät wegen ihrer verhaltenen Reaktion auf die sexistische Beschimpfung einer WWF-Mitarbeiterin durch VP-Koalitionspartner Josef Geisler immer mehr unter Druck.

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Innsbruck – Der vieldiskutierte Luder-Sager sorgt in der Tiroler Politik weiter für Diskussionen. Doch im Fokus steht mittlerweile nicht mehr die ÖVP, deren stellvertretender Landeshauptmann Josef Geisler die Affäre mit seiner Beleidigung losgetreten hatte, sondern die Grünen, deren stellvertretende Landeshauptfrau Ingrid Felipe schweigend daneben stand, als Geisler WWF-Gewässerschutzsprecherin Marianne Götsch bei einer Petitionsübergabe als "widerwärtiges Luder" beschimpfte. Ihre Untätigkeit erklärte Felipe damit, den Sager Geislers nicht gehört zu haben.

Während die Volkspartei sich schützend hinter ihren Vize-Landeshauptmann stellte und dem grünen Koalitionspartner gar mit Neuwahlen drohte, sollte dieser nicht im Sinne des Koalitionsfrieden Gras über die Sache wachsen lassen, geraten die Grünen immer mehr in Erklärungsnot. Vor allem, dass sie sich nicht zu einer Rücktrittsaufforderung gegenüber Geisler aufraffen konnten, wird ihnen angekreidet.

Innerparteilicher Konflikt

Die Kritik kommt nicht nur von außen, sondern vor allem aus der Partei selbst. Als die schwarz-grüne Regierungskoalition vergangenen Mittwoch eine "gemeinsame Erklärung" vorlegte, die dazu dienen sollte, die Causa Geisler für beendet zu erklären, begann es zu rumoren. Denn damit verzichtete man seitens der Grünen auf jegliche Konsequenzen.

Drei von vier grünen Landtagsabgeordneten hätten diesem Papier gar nicht zugestimmt, hieß es dann plötzlich. Namentlich sollen Frauensprecherin Stephanie Jicha sowie die beiden Abgeordneten Michael Mingler und Georg Kaltschmid mit Nein gestimmt haben, aber Felipe, Klubobmann Gebi Mair, Landesrätin Gabriele Fischer sowie Landessprecher Christian Altenweisl votierten demnach dafür. Offizielle Bestätigungen gibt es dafür keine, denn am Montag war seitens der Tiroler Grünen trotz mehrfacher Anfragen keine Stellungnahme zu erhalten.

Ein Abweichler in den grünen Reihen

Die Nerven liegen offenbar blank. Denn ein grüner Funktionär in Tirol hält sich nicht an den Maulkorberlass der eigenen Partei. Der Innsbrucker Gemeinderat Dejan Lukovic fordert nämlich weiterhin offen Geislers Rücktritt wegen des Luder-Sagers und auch den von Felipe, allerdings hatte er den schon zuvor gefordert wegen ihrer Rolle im Zuge der Corona-Krise. Lukovic hat seine Kritik am Verhalten der eigenen Partei auch über soziale Medien geäußert, wofür er heftig kritisiert wurde.

Angesichts des innerparteilichen Drucks hat Felipe vergangene Woche versucht, die Wogen zu glätten. Doch ihre persönlichen Erklärungen zum Thema Feminismus und dass man diesen auch verzeihend auslegen könne, hatte den gegenteiligen Effekt. Die Kritik an ihr und den Grünen nahm zu.

Diskussionstoff für Bundesgrüne

Sogar auf Bundesebene meldeten sich nun Parteikolleginnen zu Wort, wie Nationalratsabgeordnete Barbara Neßler oder Klubobfrau Sigrid Maurer. Doch beide betonten, ihre Kritik richte sich gegen Geisler und die ÖVP, nicht Felipe. Neßler hatte angekündigt, das letzte Wort in der Causa sei noch nicht gesprochen. Maurer attestierte der Tiroler Volkspartei ein "eindeutiges Problem mit strukturellem Sexismus".

Somit bleibt Lukovic der Einzige, der sich offen kritisch gegenüber der eigenen Partei äußert. Zumindest bis Dienstagabend. Dann wird nämlich auf Lukovics Antrag hin ein außerordentlicher Landesparteivorstand der Tiroler Grünen tagen. Es werde dabei nur um inhaltliche Themen, nicht um Personalentscheidungen gehen, heißt es zwar seitens der Partei. Doch es ist anzunehmen, dass die Causa Geisler im Mittelpunkt stehen wird. Ob es auch Anträge hinsichtlich Felipes Rolle oder einer Rücknahme der "gemeinsamen Erklärung" zu Geisler geben wird, war am Montag noch offen. (Steffen Arora, 15.6.2020)