Wien – Nach dem Rapport beim Bundespräsidenten in der Hofburg steht für Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Freitag um 13 Uhr ein Gespräch mit Grün an. Deren Wehrsprecher David Stögmüller sagt angesichts der Aufregung über Tanners anvisierten Umbau beim Bundesheer, der bis vor kurzem auch eine Abkehr von der verfassungsrechtlich verankerten Landesverteidigung vorsah, zum STANDARD: "Ich will dringend eine Aussprache über die Pläne, die uns völlig unbekannt waren." Eindringlicher Nachsatz: "Wir müssen darüber reden, welche Einzelheiten umgesetzt werden können – vorrangig ist dabei stets, dass Reformen des Bundesheers der Verfassung entsprechen und auch seinem Auftrag zur Wahrung der Neutralität."

Ein Bild aus harmonischeren Tagen: Verteidigungsministerin Tanner mit Bundespräsident Van der Bellen bei der Angelobung in der Hofburg – nun setzte es eine Aussprache wegen umstrittener Umbaupläne beim Bundesheer.
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Wie berichtet, wollte Tanner nach der Aussprache mit Oberbefehlshaber Alexander Van der Bellen am Mittwoch ihre Reformideen nur mehr als "Startschuss für einen Prozess zur Weiterentwicklung des Bundesheeres" verstanden wissen. Schon zuvor hatte sie Aussagen ihrer Ressortführung vom Wochenbeginn, dass die Landesverteidigung nicht mehr als militärischer Schwerpunkt gelte, relativiert – diese bleibe Kernaufgabe. Außerdem versprach Tanner zur Wochenmitte: Alle Garnisonen bleiben bestehen, und auch schweres Gerät werde es beim Bundesheer weiterhin geben. Zum vertraulichen Gespräch selbst erteilten freilich weder der Bundespräsident noch die Verteidigungsministerin nähere Auskünfte. Nur so viel hieß es dazu: Künftig wolle man dazu "einen intensiveren Informationsaustausch" pflegen.

Stimmung auf dem Nullpunkt

Im Generalstab ist die Stimmung jedenfalls auf dem Nullpunkt. Bis auf einzelne Mitarbeiter wurde dieser nämlich erst nach den Medien über die umstrittenen Vorhaben informiert, wie ein Mitglied dem STANDARD berichtet: "Dass solche Pläne in dieser Tragweite ohne vorherige Absprache verkündet werden, haben wir noch nicht erlebt." Auch deswegen gilt die Ministerin in der Rossauer Kaserne, dem Sitz des Verteidigungsministeriums, als Unguided Missile.

Zur Vorgeschichte: Konventionelle Angriffe auf Österreich und systemischer Terrorismus wurden in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten am Montag als keine eintrittswahrscheinliche Bedrohung abgetan. Vielmehr solle sich das Bundesheer künftig auf Assistenzeinsätze, Katastrophenschutz, Cyberdefence und ABC-Abwehr konzentrieren, in Ernstfällen könne ja wieder die Miliz mobilisiert werden. Dazu der Generalstäbler, der hier nicht genannt werden will: Entweder es gebe mehr Mittel für das Militär, wie von Tanners Vorgänger Thomas Starlinger, jetzt wieder Adjutant des Bundespräsidenten, errechnet, oder man schrumpfe seine Aufgaben – aber eben der Verfassung entsprechend – zusammen. Doch dann werde Österreich auch nicht mehr in der Lage sein, seinen internationalen Verpflichtungen bei den Auslandsmissionen nachzukommen, warnt der hochrangige Uniformierte.

Brisante Interna

Gemäß einer "internen Information" vom Dienstag, den 23. Juni, mit "Nr. 17" versehen, die dem STANDARD vorliegt, erklärte Tanners Stab den Militärs unter Berufung auf Umfragewerte zur subjektiven Bedrohungseinschätzung der Österreicher, dass die Befragten gezielte militärische Angriffe auf das Land (22 Prozent) oder einen Terrorangriff (28 Prozent) gegenüber anderen Katastrophen als nicht so wahrscheinlich ansehen. Dazu wurde die Ministerin, bevor sie zurückruderte, mit den Worten zitiert: "Die Einschätzung der Bevölkerung bestätigt mich in meiner Absicht, das Bundesheer auf die einsatzwahrscheinlichen Bedrohungen auszurichten. Nicht umsonst wird bereits im Regierungsprogramm klar darauf hingewiesen. Das werden wir konsequent umsetzen."

Der Freitag gilt deswegen als Großkampftag: Neben Grün will die rot-blau-pinke Opposition bei einer Pressekonferenz schweres Geschütz gegen Tanners allfällige Vorhaben auffahren. Titel der PK von SPÖ, FPÖ und Neos: "Gemeinsam für das österreichische Bundesheer". (Nina Weißensteiner, 25.6.2020)