Bevor sie über die "Miliz neu" referierte, scherzte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner noch mit den Soldaten – einer davon kollabierte dann, ihm geht es wieder gut.

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Wie man die "Miliz neu denken" könne, wollte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Donnerstag erklären: 200 Millionen Euro sollen investiert werden, unter anderem für Ausrüstung und Ausbildung. Gesprächsthema nach dem Pressestatement war aber weniger dessen Inhalt als der Hitzekollaps eines Soldaten, der hinter Tanner posiert hatte. Politische Beobachter sahen darin ein Sinnbild für den Zustand des Bundesheeres.

Die Oppositionsparteien wollen Tanner jedenfalls nicht mehr länger zusehen. Am Donnerstag kündigten sie einen Misstrauensantrag an. Eine symbolische Geste, um zu zeigen, dass das "Maß voll" sei, wie der freiheitliche Wehrsprecher Reinhard Bösch betonte. "Das Signal ist auf Rot im Sinn von Stopp", meinte SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Das "Katz-und-Maus-Spiel" mit der Landesverteidigung müsse beendet werden. Tanner habe "mehrere rote Linien" überschritten, so Laimer: "Bei der vorsätzlichen Gefährdung unserer Heimat spielen wir nicht mehr mit."

Flexibles Amtsgeheimnis

Neos-Wehrsprecher Douglas Hoyos nahm wiederum Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in die Pflicht. Dieser schaue zu, wie Tanner in ihrem Ministerium "Chaos" anrichte und die in der Verfassung verankerte Landesverteidigung vom Tisch wische.

Ähnlich äußerte sich FPÖ-Chef Norbert Hofer in der ZiB2 am Donnerstagabend: "Wer die Verfassung bricht, kann keine Ministerin sein". Die schlechteste Entscheidung sei, nicht zu entscheiden, wirft Hofer Tanner vor, zu zögerlich zu agieren.

Hoyos hatte die Ministerin auch wegen deren Umgang mit dem parlamentarischen Fragerecht im Visier: Im Mai dieses Jahres wollte sie nicht verraten, wie stark die Cyber-Defense des Bundesheeres ist. "Aus Gründen der Amtsverschwiegenheit im Interesse der Umfassenden Landesverteidigung", wie die Ministerin in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Neos ausführte. Am vergangenen Freitag brach sie nun ihr Schweigen. Im Zuge der Modernisierung des Bundesheeres soll die Cyber-Defense "von 20 auf 250 Personen" aufgestockt werden, erklärte Tanner. Für Hoyos ist die Ministerin "untragbar". "Abgeordneten gegenüber behauptet sie, Informationen sind geheim, und dann veröffentlicht sie diese in einem Nebensatz bei der Pressekonferenz. Das ist inakzeptabel und zeigt, dass es wie immer nur um Show geht und nicht um eine gemeinsame nachhaltige Weiterentwicklung des Bundesheeres", so der Neos-Wehrsprecher zum STANDARD.

Auch die angekündigte Personalaufstockung sorgt für Verwirrung. Nicht nur im Bundesheer stellt man sich nämlich die Frage, woher die neuen Cyberkrieger kommen sollen, da man schon jetzt mit einem "Personalfehl" kämpfe. Auf dem freien Markt "werden Cybergurus besser bezahlt", erklärt Bundesheersprecher Michael Bauer das Problem. "Uns ist bewusst, dass die Werbung in diesem spezialisierten Bereich eine herausfordernde Aufgabe ist. Wir wissen aber auch, dass wir ein attraktiver Arbeitgeber sind und wo wie Angebote machen müssen", so Bauer. Tatsächlich haben sich in den vergangenen Jahren einige dieser "Gurus" vom Heer verabschiedet.

Führungslose Dienste

Die schlechte Bezahlung ist auch beim Abwehramt ein Problem. Bei dem für das Inland zuständigen Nachrichtendienst fehlt ebenfalls qualifiziertes Personal. Besonders im IT-Bereich. "Die Konkurrenz zu Jobangeboten aus der Privatwirtschaft ist groß", heißt es dazu im aktuellen Jahresbericht der Bundesheerkommission. Darin wird auch festgehalten, dass "aktive Werbe- und Rekrutierungsmaßnahmen seitens des Abwehramtes nicht möglich sind, da keine sichere Jobperspektive zugesagt werden kann." Auch das für die Auslandsaufklärung zuständige Heeres-Nachrichtenamt (HNaA) kämpft mit einem "gravierenden Personalfehl", wie die Bundesheerkommission festhält. Dass diese Informationen überhaupt an die Öffentlichkeit gelangten, zeigt, dass die beiden Nachrichtendienst damit ein Problem haben, da sie doch sonst darauf bedacht sind, die Öffentlichkeit zu meiden.

Das HNaA hat derzeit keine Führung. Ende des vergangenen Jahres ging Generalmajor Edwin Potocnik in den Ruhestand. Derzeit sucht Verteidigungsministerin Tanner einen Nachfolger unter zehn interessierten Personen. Ihre Entscheidung soll im Laufe des dritten Quartals 2020 fallen.

Das Abwehramt wird momentan interimistisch geführt, da der bisherige Leiter Rudolf Striedinger im Jänner von Verteidigungsministerin Tanner zu ihrem Stabschef auserkoren wurde. (Markus Sulzbacher, Fabian Schmid, 9.7.2020)