Foto: APA/ORF Vorarlberg

Bregenz/Wien – Diese Entlassung stehe auf wackeligen Beinen und werde vor Gericht nur schwer halten. Daher gab die Richterin den beiden Klagsparteien nun bis 22. Juli Zeit, sich zu vergleichen. Doch eine Einigung scheint nicht in Sicht. Denn der klagende ehemalige Kulturredakteur des ORF-Landesstudios Vorarlberg bestreitet alle Vorwürfe, die das staatliche Medienunternehmen als Begründung für seine fristlose Entlassung Ende März 2020 vorbringt. Dem langjährigen Mitarbeiter wird vorgeworfen, die im Landesstudio in Dornbirn eingerichtete Isolationszone verbotenerweise betreten zu haben. Der behauptet wiederum, nur seine Dienstpflicht erfüllt zu haben, nämlich seine Livesendung vom üblichen Sendeplatz aus zu bestreiten.

Der Fehler liege vielmehr beim ORF selbst, entgegnet man aufseiten des Klagenden, da Senderverantwortliche offenbar bei der Planung und Umsetzung der Isolationszone auf zwei wochentägliche Livesendungen vergessen hatten, die von Mitarbeitern moderiert wurden, die nicht zum isolierten Redaktionsteam gehörten. Einer davon war der nunmehr fristlos entlassene Kulturredakteur. Für den zweiten, der sich nur einen Tag vorher im Grunde derselben Verfehlung schuldig gemacht hatte, als er seine Livesendung moderierte, gab es jedoch keinerlei Konsequenzen.

Bornemann: "Schilderung des Landesdirektors übertrieben"

Die ORF-Leitung wirft dem Entlassenen Dramatisches vor: Er habe durch sein Betreten des Studios das Leben der in Isolation befindlichen Mitarbeiter potenziell gefährdet. Das hält der Vorsitzende des Redakteursrats, Dieter Bornemann, für überzogen. "Aus unserer Sicht hat Landesdirektor Markus Klement in seinen Schilderungen übertrieben, um eine fristlose Entlassung zu erreichen." Der Kulturredakteur habe nur seinen Job gemacht, sagt Bornemann: "In diesem Fall liegt kein Entlassungsgrund vor." Landesdirektor Klement gibt auf Anfrage keinerlei Stellungnahme zu dem Fall ab und verweist an die ORF-Generaldirektion in Wien. Aber dort heißt es, man kommentiere kein laufendes Verfahren. Generaldirektor Alexander Wrabetz reagierte bisher auch nicht auf Anfragen des Redakteursrats zur Causa.

Der Fall zeige ein grundsätzliches Problem auf, wie Bornemann erklärt: "Denn der Redakteur ist im Fall eines Vergleichs seinen Job trotzdem los. Auch wenn die Entlassung ohne gesetzliche Grundlage ausgesprochen wurde, die Kosten trägt nicht der Landesdirektor, sondern es trifft den Kollegen, der den Job verloren hat – und das mit zwei Kindern und einem Kredit für sein Haus. Für den Landesdirektor gibt es keine Konsequenzen – im Gegenteil: Er ist einen aus seiner Sicht lästigen Redakteursvertreter losgeworden." Der Entlassene hatte sich den Unmut seines Vorgesetzten zugezogen, weil er sich als Redakteurssprecher für den Erhalt des Sendeplatzes der Kultursendung auf Radio Vorarlberg starkgemacht hatte, den Klement streichen wollte.

Besserer Schutz von Redakteursvertretern gefordert

Der Fall zeigt für Bornemann eine Gesetzeslücke auf, die geschlossen werden müsse: "Redakteursvertreter brauchen denselben Kündigungsschutz wie Betriebsräte. Denn wenn es so leicht geht, unliebsame Mitarbeiter loszuwerden, könnte das Beispiel Schule machen. Das ist sehr problematisch, wenn zuerst eine fristlose Entlassung ausgesprochen wird und erst im Nachhinein die Gründe dafür geprüft werden."

Der entlassene Kulturredakteur ist nicht der erste ORF-Angestellte, der in der seit 2011 dauernden Ägide von Landesdirektor Klement in Vorarlberg seinen Job verloren hat. Aus dem Umfeld des Landesstudios ist zu hören, dass es schon mehrmals zu fragwürdigen Kündigungen "unliebsamer Mitarbeiter" gekommen sein soll.

Mit seiner Klage will der ehemalige Kulturredakteur erreichen, wieder für den ORF arbeiten zu dürfen. Doch dieser bot ihm am ersten Prozesstag nur ein Jahresgehalt für die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses an. (Steffen Arora, 9.7.2020)