Im Sommer 2017 erwarb das Metropolitan Museum den vergoldeten Sarg von Nedjemankh für 3,5 Millionen Euro. Monate später stellte sich heraus, dass er zur Zeit des arabischen Frühlings 2011 in Ägypten geplündert worden war.
Foto: Metropolitan Museum

Max Hollein war als Direktor erst wenige Monate im Amt, als das Metropolitan Museum (New York) im Februar vergangenen Jahres einen Fehlkauf eingestehen musste: Der vergoldete mumienförmige Sarg aus dem ersten Jahrhundert v. Chr., den man im Juli 2017 für 3,5 Millionen Euro aus dem französischen Handel erworben hatte, war wohl Gegenstand einer Plünderung während des Arabischen Frühlings 2011 gewesen.

Das hatten Ermittlungen des Bezirksstaatsanwalts von Manhattan ergeben, die sowohl die Besitzergeschichte als auch eine ägyptische Exportlizenz von 1971 als Fälschung entlarvten. Die Datierung der vermeintlichen Ausfuhrgenehmigung spielte im Hinblick auf das Unesco-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung unzulässiger Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut eine Rolle.

Der internationale Vertrag war im November 1970 in Paris verabschiedet und von den rund 150 Vertragsstaaten zu unterschiedlichen Zeitpunkten ratifiziert worden: In den USA war das 1983 der Fall, in Frankreich 1997 und in Deutschland 2007. Der illegale Handel mit oder die illegale Verbringung von Kulturgütern aus Raubgrabungen oder Plünderungen wurde damit allerdings nicht verhindert, höchstens erschwert.

Anklageerhebung in Paris

Das gilt bis heute, trotz zahlreicher Verschärfungen nationaler Gesetze und jüngerer EU-Richtlinien, wie dieses auf internationaler Museumsebene ungewöhnliche Beispiel zeigt. Hollein kündigte eine Überprüfung des Ankaufprozederes an, das künftig wohl eine sorgfältigere Kontrolle im Vorfeld vorsieht.

Der Sarg von Nedjemankh wurde an Ägypten retourniert, wo man ihn mit einer Präsentation im Nationalmuseum präsentierte.
Foto: AFP

Der Sarg, der einst die Überreste eines hochrangigen Priesters enthielt, wurde im Herbst 2019 an Ägypten retourniert. Die Ermittlungen liefen weiter. Involviert waren auch Behörden in Frankreich und in Deutschland, wie The Art Newspaper berichtete. Von Ägypten war das Objekt zuerst in die Vereinigten Arabischen Emirate gelangt, zur Restaurierung temporär nach Deutschland eingeführt und anschließend nach Frankreich transportiert worden.

Ende Juni wurden dort fünf mutmaßlich involvierte Personen verhaftet und verhört. Darunter Christophe Kunicki, der den Sarg dem Metropolitan verkauft hatte, und sein Ehemann. Gegen die beiden wurde jetzt Anklage wegen Bandenbetrugs und Geldwäsche erhoben. Dem Vernehmen nach könnten nun auch Deals mit dem Louvre Abu Dhabi überprüft werden.

Kriminalisierung der Branche

Durch solche Fälle gerät automatisch auch der legale Handel in Verruf, wie Christoph Bacher (Wien) stellvertretend für die seriöse internationale Kollegenschaft beklagt. Österreichs einziger im Fachgebiet der Antike aktiver Vertreter berichtet von Misstrauen, das ihm mittlerweile im Kontakt mit den heimischen Behörden entgegenschlägt.

Die Verschärfung gesetzlicher Bestimmungen hatte in den letzten Jahren indirekt auch zu einer Kriminalisierung der Branche geführt. Berechtigt seien pauschale Vorverurteilungen jedoch nicht, wehrt sich Bacher. Im Gegenteil. Oft sind es Kunsthändler, die Behörden wertvolle Hinweise zu schwarzen Schafen liefern und überhaupt erst Ermittlungen in Gang setzen. Sie tragen folglich zur Klärung bei, auch um ihr Handelsrevier sauber zu halten.

In diese Kategorie fällt eine skurrile Causa, die erstmals im Dezember 2018 im Kunsthistorischen Museum (Wien) aufschlug. Es ging um ein Set von vier Kanopen aus Alabaster, die einst Leber, Lunge, Magen und Unterleibsorgane enthielten, die zusammen mit dem mumifizierten Wesir von Oberägypten namens Djed-Ka-Re in der 26. Dynastie (663–525 v. Chr.) beigesetzt wurden.

Das vom Auktionshaus Gorny & Mosch (München) aktuell angebotene Kanopenset aus Alabaster war einst im KHM-Bestand. In der Amtszeit (1922-1951) des Sammlungsleiters Hans Demel verschwand es unter ungeklärten Umständen.
Foto: Gorny & Mosch

Mangelnde Sorgfaltspflichten

Angeboten wurden sie vom Münchner Auktionshaus Gorny & Mosch, das die Herkunft im Katalog wie folgt beschrieb: "Aus dem Besitz des österreichischen Kaiserhauses" kamen sie "nach dem Ersten Weltkrieg" in den "Kunsthandel", "wo sie 1958 von der Frankfurter Münzhandlung E. Button verkauft wurden".

Der Vermerk "Kaiserhaus" machte sowohl einen Londoner Kunsthändler als auch einen Ägyptologen aus Paris stutzig, da die kaiserlichen Kunstsammlungen schon vor dem Ende der Monarchie im KHM beherbergt wurden. Sie informierten das Museum.

Gorny & Mosch hatte die Herkunft offenbar nicht überprüft, obwohl das seit der Einführung des Kulturgutschutzgesetzes in Deutschland 2016 zu den vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten des Handels gehört. Stattdessen übernahm man die Angaben vom Einbringer und aus Schriftstücken aus den 1950er-Jahren, die er zur Verfügung stellte.

Die "Kanope des Hapi" beherbergte einst die Lunge des mumifizierten Djed-Ka-Re, Wesir von Oberägypten in der 26. Dynastie (663-525 v.Chr.).
Foto: Gorny & Mosch

Das KHM wurde in seinem Archiv schnell fündig und informierte: Das Kanopenset sei seit 1824 im Bestand gewesen und nie verkauft worden. Vielmehr war es unter ungeklärten Umständen in den 1930er-Jahren oder nach dem Zweiten Weltkrieg verschwunden. Franz Pichorner, Direktor des KHM-Archivs, ersuchte um Korrektur der Provenienzangaben. Rechtliche Handhabe, so bescheinigten hauseigene Juristen 2018, hatte man keine: verjährt.

Kanopenset verschwand aus KHM

Ein Makel war es allemal, und die auf stolze 240.000 Euro geschätzten Alabasterkrüge blieben unverkauft. Taxiert auf 150.000 Euro suchen sie derzeit einen neuen Besitzer. Der virtuelle Zuschlag soll am 22. Juli erfolgen. In einem aktuellen Youtube-Video schildert eine Expertin des Auktionshauses – wider besseres Wissen – die Mär vom einstigen Privatbesitz Kaiser Franz Josephs. Die 2018 aus Wien übermittelten Provenienzangaben bleiben unerwähnt, sind aber immerhin im Katalog publiziert.

Das Auktionshaus wurde bereits im Dezember 2018 vom KHM über die wahre Herkunft informiert. Im aktuellen Video behauptet die Expertin von Gorny & Mosch fälschlich, die Kanopen wären einst im Privatbesitz Kaiser Franz Josephs gewesen.
Gorny & Mosch Giessener Münzhandlung GmbH

Hinter dem Verschwinden der Kanopen aus dem KHM dürfte tatsächlich ein historischer Kriminalfall lauern, wie erste hausinterne Recherchen ergaben.

Im Zuge einer Generalinventur unter dem Sammlungsleiter Egon Komorzynski in den Jahren 1952 bis 1967 hatte man schon festgestellt, dass zahlreiche Objekte aus der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung nicht mehr auffindbar waren.

Damalige Nachforschungen verliefen zumeist ergebnislos. Etwa mangels einer fotografischen Dokumentation, die eine zweifelsfreie Identifikation ermöglicht hätten.

Nur eines schien rückblickend erwiesen: Der Großteil kam in der Amtszeit von Komorzynskis Vorgänger von 1922 bis Ende 1951 abhanden. Der Ägyptologe Hans Demel, Sohn des österreichischen Politikers Johann Demel, hatte Sammlungsobjekte eingetauscht bzw. verkauft und dabei eine fantasievolle Inventarführung praktiziert. Wie aus einem Dokument hervorgeht, war das Kanopenset "von Direktor Demel zum Scheinankauf vorbereitet" worden, "indem die Inv.-Nummern" (Nr. 3580 bis 3583) "entfernt wurden". Bei regulären Abgängen aus dem Bestand war und ist das Durchstreichen der Inventarnummern üblich.

Als nachgewiesen gelten Geschäfte von Demel mit Rudolf Raue: Er war ein frühes NSDAP-Mitglied, das in Arisierungen von Kunsthandlungen involviert und ab 1944 im Dorotheum als Experte tätig war, wie Provenienzforscherin Gabriele Anderl 2009 öffentlich machte. Raue stand wiederum in engem Kontakt mit einem gewissen Oxan Aslanian, ein aus Armenien gebürtiger Sammler und Kunsthändler.

Geschäfte mit Ariseur & Fälscher

Sein Name taucht im KHM-Archiv mehrmals auf. Etwa auch in einem vertraulichen Bericht Komorzynskis an das Ministerium 1955. Demnach war ihm bei einer Tagung in Hamburg zu Ohren gekommen, dass Aslanian "einen kompletten Kanopensatz aus dem Besitz des österreichischen Kaiserhauses" für "25.000 D-Mark" zum Verkauf anbot.

Zurück in Wien hatte der Sammlungsleiter die Aufzeichnungen Demels überprüft. Dabei stellte sich heraus, dass sie zu "einem nicht genannten Datum um 750 Schilling" verkauft worden waren: "vermutlich an Raue, vielleicht aber auch an Aslanian direkt", jedenfalls unrechtmäßig. "Ob man versuchen sollte, allenfalls unter Hinzuziehung der Polizei und der Interpol", die Objekte als "gestohlen zurückzufordern", erbat der Sammlungsleiter Anweisungen. Eine Reaktion des Ministeriums blieb jedoch aus.

1958 wurden die Kanopen für besagte 25.000 DM von der Frankfurter Kunsthandlung Button an einen Vorfahren des jetzigen Einbringers verkauft, wie Gorny & Mosch auf Anfrage informiert. Im KHM sind nun intensive Ermittlungen zu diesem Cold Case angelaufen.

Gut möglich, dass man die Tauschgeschäfte mit und Ankäufe von Aslanian dabei auch aus einem anderen Grund genauer unter die Lupe nimmt. Er war in den 1970er-Jahren posthum als Fälscher entlarvt worden. Der "Berliner Meister" hatte etwaige Begehrlichkeiten namhafter Museen seit den 1920er-Jahren überaus erfolgreich bedient. (Olga Kronsteiner, 12.7.2020)