Gleich in der ersten Szene von Amore al dente – Ein fast gewöhnlicher Sommer wird das Leitmotiv von Simone Godanos neuer Komödie etabliert: Da telefoniert die Pädagogin Penelope (zu Recht gefrustet: Jasmine Trinca) mit dem Vater eines Kindes, das dieser vergessen hat, aus dem Hort abzuholen. Penelope sagt daraufhin zu dem Knirps im Krabbelalter, dass er – sollte er später Therapie brauchen – wenigstens genau wüsste, wer die Schuld an seinen Komplexen trägt: die liebe Familie.

Schwul als Schimpfwort: In "Amore al dente" prallen Welten aufeinander.
Foto: Maila Iacovelli – Fabio Zayed

Ein klassischer Fall von Projektion natürlich, denn Penelope hat selber den einen oder anderen frühkindlichen Klescher davongetragen. Besonders ihr Vater Tony (karikaturesk: Fabrizio Bentivoglio), Kunsthändler, eitler Lebemann und Best Ager, den wir im Laufe des Films besser kennenlernen werden, hat ihr emotional übel mitgespielt.

Ungeliebt hat sich Penelope ja immer schon gefühlt, nun geht ihr aber das Geimpfte auf, als sie merkt, dass der Herr Papa offenbar doch zu den ganz großen Gefühlen fähig ist: Denn er eröffnet der Sippschaft, dass er heiraten möchte, und zwar – krasser Twist – einen Mann.

Klassenkampf im Badeort

Für den großen "reveal", wie man das heute so nennt, vermietet Tony das Gartenhaus einer prächtigen Villa am Meer an die Familie seines Verlobten Carlo (unrund: Alessandro Gassmann), der vorerst mit der Wahrheit nicht herausrücken will. Vermutlich weil er schon vermutet, dass sein homophober Sohnemann Sandro (mit den Nerven am Ende: Filippo Scicchitano) keine Freude mit dem neuen Bonus-Dad haben wird. Aber natürlich kommt’s raus, und die Welten prallen aufeinander.

Auf der einen Seite die bourgeoise frankoitalienische Patchwork-Sippe Tonys mit Hang zu leichtem Exhibitionismus und Marihuanakonsum, auf der anderen Seite die laute Arbeiterfamilie des Fischers Carlo, in der schwul höchstens als Schimpfwort denkbar ist. Doch eine unwahrscheinliche Allianz wird geschmiedet: Penelope und Sandro beschließen die Hochzeit zu sprengen, indem sie den Papas aufzeigen, dass sie gänzlich inkompatibel sind. Amore al dente – Ein fast gewöhnlicher Sommer, der im Original hochtrabend Croce e delizia, Last und Wonne, heißt, hantelt sich soaphaft von Schreiduell zu Schreiduell, während er dazwischen versucht, so etwas wie gesellschaftliche Themen unterzubringen.

Ein Aufblitzen von Relevanz

Homosexualität wird eher plakativ verhandelt; besonders originell, dass gerade die Kinder, also die jüngere Generation, ein Problem mit der Partnerwahl der Väter haben, ist es zwar nicht, aber besser als umgekehrt.

Die Klassenthematik spielt eine etwas subtilere und damit bessere Rolle. Tiefgang erreicht Amore al dente nur einmal, wenn er sich nämlich an eine Charakterzeichnung wagt: Freilich ist auch die Figur der Penelope im Sinne einer Komödie überzeichnet, aber die Verletzungen durch ihren Vater und ihre damit einhergehende Unfähigkeit zu zwischenmenschlichen Beziehungen, die auch mal in einer glaubhaften Panikattacke enden, haben zweifelsohne eine Relevanz, die der Rest des Films vermissen lässt. Das könnte man verkraften, wenn es etwas zu lachen gäbe, doch bleibt der zweite Langfilm Godanos auch in dieser Hinsicht mehr Last als Wonne. (Amira Ben Saoud, 17.7.2020)